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Äthiopien-Reise der Berliner Landesstelle vom 9. bis zum 23. April 2014

Aus dem Tagebuch von Martin Rammensee

LSt-LogoZwei Wochen lang besuchte ein siebenköpfiges Team der Landesstelle das Heimatland des Fortbildungsteilnehmers Mubarek Nur. Die Reise führte aus der Hauptstadt Addis Abeba u. a. zu Stätten des Weltkulturerbes, in das Zentrum der Rastafari-Bewegung und in eine ökologisch orientierte Hotelanlage im Süden des Landes. Das Hauptziel der Reise war aber das Dorf Weira, aus dem Mubarek Nur stammt. In einem Modellhaus wird seither der Einsatz nachhaltiger Technik bei der Entwicklung auch abgelegener Regionen demonstriert.

Martin Rammensee hat den Aufenthalt in Äthiopien in einem spannenden Tagebuch festgehalten.

lstethMittwoch, 9. April 2014, Flug nach Addis Abeba

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Dipl.-Ing. Martin Rammensee
ist an der Landesstelle tätig als fachpraktischer Ausbilder

Die Reise nach Äthiopien beginnt.

Kurz bevor wir zum Flughafen Tegel fuhren, hatte ich noch die Hauswasseranlage meiner Tochter Maëlle angeschlossen. Jetzt um 14.00 Uhr, Lokalzeit 15.00 Uhr, sind wir im Landeanflug auf Istanbul. Unten viele kleine Schiffe auf dem Bosporus. In Tegel war die Gepäckaufgabe etwas hektisch, hatten wir doch über 30 kg zu viel Gepäck, was zusätzliche Kosten von beinahe 700 € bedeutete. Aber Mubarek verbreitete so lange Hektik, packte aus und um, bis die Damen am Schalter entnervt aufgaben und wir nichts zuzahlen mussten.

Um 19.30 Uhr, nach einigen Stunden Aufenthalt auf dem Flughafen, starteten wir über das sonnenbeschienene Istanbul mit den vielen Minaretten hinweg in den Abendhimmel. Hatte vor dem Start noch kurz meine Tochter Maëlle angerufen, die heute in Französisch und Geschichte für das 2. Staatsexamen die letzten Unterrichtsproben hatte. Ist prima gelaufen und jetzt sitzen sie in Heiligensee im Garten und trinken Champagner.

Auf dem Flughafen in IstanbulUnd ich lasse mich in den Sitz fallen und höre im Kopfhörer David Garrett „Encore". Draußen der Himmel, oben ein helles lichtes Blau, mit einem gelben Rand, der das Licht von der Finsternis trennt. Links von mir sitzt Conny, rechts Jana, drüben Mubarek und Hailu, weiter vorn Klaus und neben dem Notausgang Michael, der für seine Beine besonders viel Platz braucht. Was uns die Reise nach Äthiopien wohl bringen wird? Schaffen wir unsere Aufgaben, Mubareks Idee von einem Musterhaus voller regenerativer Träume, einer neuen Welt aus Licht, Wasser und Erde, voller sanfter Energien?

Äthiopienwpicon, ein Land mit viel Geschichte und Geschichten, sicherlich nicht europäisch geprägt, obwohl wir es unserer historisch linearen Wahrnehmung unterordnen, aber dort ein ganz anderes Leben, nur ein paar Flugstunden von uns entfernt.

Da ich in meinem Tagebuch nicht genügend Platz habe, kaufte ich mir noch extra ein Schreibheft. Hoffe, dass ich auch regelmäßig zum Schreiben komme. Abends gibt es ja in Weira kein Licht, nur meine Stirnlampe und ein paar Teelichter. Vorhin im Istanbuler Flughafen haben wir sehr viel zusammen gelacht und Fotos von uns gemacht.

Toll, unsere Reise nach Äthiopien hat begonnen.

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Stationen der Reise

Aber immer diese langwierige Vorbereitung, die Vorauswahl der von uns angestrebten Aufgaben, die vielen Dinge, die wir mitnehmen müssen. Getrieben durch das Dingliche, aber wie beginnen? Haben wir das Recht so aufzutreten, als die Reichen mit silbernen Kisten voller Sachen, leuchtende Dinge, Licht, das, wie aus einem Wunderhorn geschüttet, Segen bringen soll?

Für uns andererseits ein Zugewinn an Wissen, was können wir in den Kursen der Landesstelle anbieten, macht unsere Arbeit Sinn, also alles unter äthiopischem Licht auf den Prüfstand.

Draußen wird es Nacht. Unser Flugzeug reitet auf dem Wind, schüttelt sich und bockt. Unter uns Ägypten, links silbern der Nil, auf dem wir vor einigen Jahren stromaufwärts entlanggefahren waren, wo wir damals im Totentempel der Hatschepsut Reliefs ihrer ausgesandten Expedition ins sagenumwobenen Goldland Punt sahen, Reliefs mit Schiffen. Und wir gleiten jetzt weit oben auf ehernen Schwingen durch die Nacht, gleiten durch Feuerwolkenbänder, im Ohr Garretts Melodien.

(Unser ganzes Leben eine immerwährende Reise zwischen und mit den uns Lieben, durch fremde Länder, Bilder und Erinnerungen. Und immer ist da dieses Weitergehen, die Suche nach dem Neuen, nach dem Anderen, dieses Transformieren, das Unbekannte in unsere Formen, die fremde Sprache ins Vertraute, durchs Unbekannte zum Licht, durch Wüsteneien, über Meere durch Wälder und weiter. Immer auf der Suche nach dem Anderen, das nicht nur Außen ist, sondern auch in uns, diese stete Veränderung, ohne die nichts lebt.)

Und jetzt unterwegs nach Äthiopien, in eine andere Welt auf einem anderen Kontinent.

Auf dem Bildschirm vor mir Szenen eines Films, ein Liebespaar in den 30er Jahren, Bilder wie am Boulidou, mein weiteres Paradies, tief im Süden Frankreichs, auch so voller neuer Düfte, anderer Geräusche, voller Wolkenformationen, aber auch Welten entfernt...

Bin zu überdreht um schlafen zu können. Im Ohr der kleine Knopf mit „Best Films Classics" mit Musik von Strauß, Wagner, James Horner, Mozart etc. Habe vorhin auf Maëlle mit einem Glas Rotwein angestoßen. Sitzen jetzt sicherlich immer noch in Heiligensee zusammen und feiern.

Jetzt Mozarts Requiem. Lässt mich an unsere Choraufführungen denken. Musik, einfach göttlich, auch Gottesdienst. Was vermag der Mensch nicht wunderschönes zu schaffen, um dann aus Hass heraus, die Kehrseite der Liebe, häufig alles wieder zu zerstören.

Die nächsten zwei Wochen so ganz ohne Musik, nur die Natur, der Wind, das Rascheln der Blätter, das Trommeln der Regentropfen, die Stimmen der Tiere, das Lachen der Reisegefährten. Ob wir wohl auch zum Singen kommen? Meine Flöte, meine Mundharmonika habe ich nicht mitgenommen.


lstethDonnerstag, 10. April 2014, in Addis Abeba

Da wir erst um 3.30 Uhr nach einer rasanten Fahrt durch die Stadt und einem üppigen Essen ins Bett gekommen waren, schliefen wir bis 8.30 Uhr. Zum Frühstück gibt es Rührei, Brot; Obstsalat und Marmelade.

Vor uns sitzt eine junge Frau und röstet in einer eisernen Pfanne Kaffeebohnen über einem kleinen Holzkohleofen, die sie immer wieder hin und herschiebt, damit sie nicht anbrennen, dabei wirft sie Weihrauch in die Glut. Auf der Straße vor den verschlossenen Toren ruft der Flaschensammler, mit dem immer gleichen Spruch.

Um 10.00 Uhr wollen wir zum Mercato (Markt), angeblich der größte Afrikas, um von uns in Weira benötigte sperrige Materialien zu kaufen, die wir aus Berlin nicht mitnehmen konnten.

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Den Kaffee trinken wir aus kleinen Tassen Im Garten Nester von Webervögeln Unsere Hauskatze hat Hunger

Die erste kleine Tasse Kaffee schmeckt wunderbar. Normalerweise wird er nicht mit Zucker versüßt, sondern gesalzen, aber wir haben Glück und bekommen ihn gesüßt. Der Kaffee, den wir aus kleinen Tassen trinken, ist ganz frisch in der ersten Tasse, bei der zweiten und dritten wird er nicht neu zubereitet sondern nochmals aufgebrüht. In der Nähe von Weira gibt es ein Naturreservat, das vom NABU unterstützt wird, in dem der Kaffee noch immer wild wächst.

Wir sprechen auch über äthiopische Geschichte. Die verschiedenen Volksgruppen haben gerade in politischen Diskussionen große Probleme, Hailu ist Amhara, Mubarek Guragi, wobei sich jetzt die Gruppen mischen, auch übten die verschiedenen Gruppe verschiedene Berufe aus, so kann z. B. nicht jeder einfach Töpfer werden, erinnert mich an unsere ständische Gesellschaft im Mittelalter. Auch gibt es unterschiedliche Traditionen, z. B. heiraten Guragi nicht in ihrem Dorf, heiraten immer außerhalb. Es gibt aber auch viele Gruppen, die nur unter sich bleiben. Jana erzählte von einer ihrer letzten Reisen durch Äthiopien, dass z. B. im Bus Leute unterschiedlicher Gruppen nicht zusammen sitzen. Ist zwar eher selten, kommt aber vor.

Fahren zusammen auch zum äthiopischen Nationalmuseum...

Im Ambassador-Park trinken wir Kaffee. Gegenüber dem Sheraton-Hotel und dem Regierungsviertel werden viele Elendsviertel abgerissen. Überall in der Stadt sehen wir gewaltige Bauaktivitäten, für die Stützschalungen und Deckenverschalungen werden aber nur Stangenhölzer verwendet, dies gibt den Gebäuden oft den Charakter eines surrealen Kunstwerks, sind doch die bis zu 30 Stockwerk hohen Gebäude mit Stangengerüsten und Stangenrampen versehen, die irrsinnig untereinander verstrebt, vernagelt und verbunden an eine überdimensionale Objektart erinnern. Gerade dieser gewaltige Holzbedarf ist für die Waldbilanz Äthiopiens nicht gut, so sahen wir auch überall im Land die abgeholzten Berghänge und begegneten immer wieder unzähligen mit Holzstangen beladenen LKWs.

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Straßenszene in Addis Anstehen zum Gottesdienst Zum ersten Mal noch kleine Baugerüste

Später haben wir in der deutschen Botschaft einen Termin. Zuerst werden wir vom Sicherheitspersonal durchleuchtet. Am liebsten würden sie uns die Kameras abnehmen. Endlich kommt Herr Krüger, mit dem Klaus von Berlin aus den Termin ausgemacht hatte. Wir gehen über das große Botschaftsgelände bis zu einem Kantinengebäude, wo wir uns unter einer Markise niederlassen.

Herr Krüger erzählt uns, dass er für vier Jahre vom Entwicklungsministerium abgestellt wurde. Er ist hier in Addis für die Koordinierung zwischen Regierung, GTZ, Welthungerhilfe etc. zuständig. Klaus erklärt erstmal, was es mit der Landesstelle auf sich hat.

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In der deutschen Botschaft Schildkröte auf dem Botschaftsgelände

Hatte beim Hochlaufen zum Clubhaus der Botschaft auf dem 12 ha großen Botschaftsgelände wieder Probleme mit dem Luftholen, es ist schon zu merken, dass wir uns in einer Höhe von über 2000 Metern aufhalten. Mubarek hat sich kurz telefonisch gemeldet, kommt später dazu. Klaus erzählt von der NGO Give water Ethiopialink-extern, die GTZ hat hier auch ein Projekt im Energiebereich. Herr Krüger erzählt von der Beratungsstelle Engagement Global, auch von einem CIM-Programm (Centrum für internationale Migration und Entwicklung) für Leute, die wieder in ihre Länder zurückgehen. Mubarek erzählt von der Ausbildung in der Landesstelle und dass er will, dass wir das dort Erlernte in einem Modellhaus umsetzen, um den Umgang mit der Solarenergie, Solarthermie, Biogas und dem Sammeln von Wasser etc. zu zeigen.

Er hatte erstmals vor zwei Jahren mit dem Bürgermeister und dem Schuldirektor von Weira gesprochen und von seinem Vorhaben erzählt. Äthiopiens Regierung hat bis 2025 als Ziel ein CO2- und klimaneutrales Wachstum ausgeschrieben. Die CDM-Umsetzung ist noch nicht konkret. Die deutsche Botschaft hilft mit Handbüchern, Infos und organisatorischer Unterstützung. Sie arbeitet aber hauptsächlich mit staatlichen Stellen in Äthiopien zusammen. Es wird in der Botschaft schon registriert, dass es sehr viele private NGO-Aktivitäten gibt, sie bekommen davon aber leider oft zu wenig mit.

Conny interessiert sich dafür, inwiefern die deutsche Botschaft auch mit anderen Ländern, der EU und mit Amerika zusammenarbeitet? Dazu meinte Herr Krüger: Erster Schwerpunkt, wie technical land management, d. h. Verhinderung von Erosion, Anlegen von Entwässerungsgräben, Erhalt von Hanggebieten für die Bewirtschaftung etc. Zweiter Schwerpunkt ist die Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium: Im Hochland ist noch viel an natürlicher Landschaft zu erhalten und in Regionen, die nicht ernährungsunsicher sind. Die Amerikaner unterstützen eher Maßnahmen zur landwirtschaftlichen Produktivität, man muss sehen, ob diese Methoden auch auf das Tiefland übertrag bar sind etc.

Was wir mit der äthiopischen Regierung zusammen machen, trägt Früchte. Im Ideenstadium befinden sich noch die Bereiche Biodiversität, Nationalparkmanagement, Tertiäre Bildung, berufliche und universitäre Bildung.

Die deutsche Botschaft ist schon seit zwanzig Jahren aktiv im Bereich der Bildung. Seit Jahren wird die deutsche Berufsschulbildung auf Äthiopien übertragen. Praktische Ausbildung findet an den Berufsschulen selbst statt, unterstützt wird auch die Entwicklung von Curriculae, die KfW unterstützt die Ausstattung der Schulen.

Ziel ist es, Arbeitskräfte bereitzustellen, die auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt werden. Für Privatbetriebe gibt es nur sehr schwer einen Zugang zu Banken in Bezug auf Kredite. Wie können diese für eine berufliche Ausbildung gewonnen werden? Ein großes Problem ist bereits die Haftpflichtversicherung. Mubarek erkundigt sich, wie es mit einer finanziellen Unterstützung der deutschen Regierung aussieht und ob es einen Kollegen gibt, der bei Antragstellungen etc. beraten kann. Die Botschaft unterstützt Kleinprojekte mit einem gewissen Eigenanteil, d. h. Anträge werden immer jährlich und zu Anfang des Jahres gestellt, geht an äthiopische NGOs, wichtig Verwendungsnachweis der Mittel, Auszahlung in Tranchen.

Mubarek findet auch die Unterstützung von Ideen interessant. Gibt es z. B. eine Unterstützung bei dezentraler Energiegewinnung? Eine Entwicklung, z. B. bei Solarkochern, wird unterstützt, was über einen praktischen Austausch in die Breite gehen soll, Ideen werden vermittelt, die Geräte sollen später im Land selber verkauft werden.

Treffen uns um 17.00 Uhr im Debredamo-Hotel mit der NGO Give Water zu einem Workshop. Viele Mitglieder der NGO studieren in Addis und beschäftigen sich mit dem Thema Wasser. Die NGO will uns auch in Weira mit Hilfestellungen unterstützen und wird uns die ganze Zeit begleiten.

Mubarek eröffnet die Veranstaltung und stellt uns alle vor. Er sagt nochmals, dass er vieles des in der Landesstelle Erlernten in Äthiopien umsetzen will. Nacheinander erklären sich nun die Mitglieder der NGO und warum sie die Organisation unterstützen, die sich mit dem Thema Wasser beschäftigt. In den Reden wird immer wieder betont, wie froh sie seien, dass ihnen die Landesstelle mit ihrem Wissen helfe. Danach stellt Klaus mit einer PowerPoint-Präsentation die Landesstelle vor, erklärt unser Kursprogramm und zeigt unseren Imagefilm.

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Klaus Pellmann stellt unsere Arbeit vor Klaus und Mohammed von „Give Water“

Danach wird die Fragerunde eröffnet. Die immer wieder auftauchende Frage ist natürlich „Was hat die Landesstelle für Antworten und Lösungen für unsere Probleme im Bereich Wasser in Äthiopien?" Mubarek antwortet darauf, dass wir in Weira ein Modellhaus ausbauen wollen und erzählt von Solarpanelen, Solarkochern, Regenwasserspeicherung, Wasserbeprobung etc.

Give Water will auch wissen, wie eine Zusammenarbeit mit der Landesstelle in Zukunft aussehen könnte und betont immer wieder, wie wichtig sauberes Wasser für Äthiopien sei, und ob wir ihnen mit Infos über Solarpumpen und Brunnenbau helfen können.

Zum Schluss sehen wir die Give-Water-Dokumentation „Working together for a better life"link-extern. Darin wird das Verlegen von Wasserleitungen in der Gegend von Enemar durch Fachleute und Freiwillige gezeigt und wie Mitglieder der NGO in den Kommunen über Gesundheitsfürsorge reden. Wir sehen den vorherigen Transport von Wasser über weite Strecken, der durch die Erschließung der Dörfer mit Wasserleitungen, dem Bau von Handpumpen und Zisternen beendet wird und das Leben der Menschen auch in gesundheitlicher Hinsicht erleichtert.

Am Ende der Tagung treffen wir uns zu einem gemeinsamen Dinner.

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Unser Dinner mit „Give Water“ Injera

Wieder schmeckte mir die Injera, einem aus einer grasartigen Hirse zubereiteten Fladen, ähnlich einer dicken, sauren Crêpe. Mit einem Stück abgerissenem Fladen wird nun mit der rechten Hand ein Stück Fleisch, Gemüse oder Fisch gegriffen und in eine der zahlreichen auch scharfen Saucen getunkt. Unter den Saucen waren auch die typischen Fastenspeisen, wie Shiro, ein Brei, der aus einem Pulver aus gewürzten Bohnen, Linsen und Erbsen zubereitet wird, dazu gibt es weitere Gemüsespeisen. Zur Feier des Tages gab es dann „St.-Georg-Bier".

Jetzt am Abend, um 23.00 Uhr, wieder in unserer Unterkunft zurück, lasse ich nochmals den Tag Revue passieren.

Bin immer noch erstaunt über die vielen Bauaktivitäten in Addis. Überall wachsen gewaltige Hochhäuser in den Himmel, eingehaust in ein Gewirr von Pfosten aus Eukalyptusstämmen, auf denen Arbeiter wie die Ameisen auf- und abwimmeln. Jedes Stockwerk wird vor dem Schütten der nächsten Decke durch einen ganzen Wald von Stämmen abgestützt. Wie zerfetzte Fahnen in einem Inferno wehen an den Außenwänden der Gebäude riesige Kunststoffbahnen, die vormals der Schattierung dienten.

Überall in der Stadt rollen gewaltige Radlader, die ganze neue Straßentrassen aus dem steinigen Untergrund schieben, wie graue Lindwürmer winden sich dazwischen mannshohe Betonröhren, durch die später mal das Abwasser fließen wird.

Dazwischen mäandert ein nicht enden wollender Strom von jungen Männern und Frauen, der sich durch die vielen kleinen Transporter, Pick Ups und vielen alten Autos, windet. Im Schatten der vielen Rohbaugiganten scheinen plastikverkleidete Holzverschläge, auf deren durchhängenden Dächern allerlei einst angewehte Pflanzen ihre verdorrten Stängel in die Luft strecken, gestrandet zu sein, aus deren Tiefen die Rufe der Verkäufer dringen, eingezwängt in ein Konglomerat aus Früchten, Kleidern auf Schaufensterpuppen, Stöcken, Büchern, Sonnenschirmen, die zu religiösen Festen getragen werden, Schuhen, Mützen, Strohhüten.

Immer wieder liegen auch Menschen wie achtlos weggeworfene Kleiderbündel am Straßenrand. Wie sehen auffallend viele ältere Männer in langen Kaftanen, in den Händen einen oft kunstvoll geglätteten Stock, am Ende gekrümmt oder gegabelt, metallbeschlagen oder auch geschnitzt. Später erfahre ich von Hailu, dass diese Stöcke Stützen während der vielstündigen Gottesdienste in den langen Fastenzeiten sind. Überall vor den Kirchen stehen weißgekleidete Menschen mit Sonnenschirmen in der Hand, die beten und singen.

Auch im Straßenbild fallen die sich bekreuzigenden Menschen auf, die damit die am Straßenrand liegende Kirche begrüßen. In vielen Autos hängen Kreuze, die meisten der jungen Menschen tragen ein Kreuz um den Hals, auch die Kleidung ist oft mit Kreuzen verziert.

Waren am Morgen im Esszimmer gesessen, vor uns der kleine rauchende Holzkohleofen, auf dem in einer alten metallenen Kanne Kaffee kochte.

Mubarek erzählte uns von der immer noch nicht aufgearbeiteten jüngeren Geschichte Äthiopiens, wo vor allem in den 70er Jahren hunderttausende Studenten und Intellektuelle einfach auf offener Straße hingerichtet wurden, später werden wir noch am Museum des Terrors vorbeifahren.

Im archäologischen Museum von Addis bestaunen wir die Millionen Jahre alten Skelette, die vor allem durch unser aller Urahnin „Lucy" weltbekannt wurden. In zahlreichen Vitrinen finden sich viele archäologische Funde aus Axum, Tigray und Eritrea. Schön auch die einfachen Hackgeräte, zu denen Hailu meinte, dass wir die nächsten Tage viele davon noch im Einsatz sehen werden. Zwischen den Vitrinen stehen kunstvoll geschnitzte Holzhocker und Vorratsbehälter, die allerdings nicht beschriftet sind und wie abgestellt wirken. Es gibt einfach keine Person, die sich um eine Ausschilderung kümmert.

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„Lucy“, eine unserer Urahninnen Einfache Hackgeräte Holzhocker und Stühle

Vor einem Thron von Haile Selassie bestaunen wir die wunderschön verzierten königlichen Gewänder, die auf uns wie eine Märcheninszenierung wirken, sehen wir Utensilien von Wunderheilern und Zauberern, tauchen immer wieder Masken und Schwerter, auch Gegenstände, deren Nutzen sich uns entzieht, aus dem Dunkel vor uns auf, da immer mal wieder der Strom ausfällt.

Durch die zahlreichen Artefakte schimmert die reiche und vielfältige äthiopische Geschichte, auf die die Menschen dieses Landes stolz sein können und zu Recht auch sind.

lstethFreitag, 11. April 2014, in Addis Abeba

War schon um 5.30 Uhr wach. Vor dem Fenster das Zwitschern und Singen der Vögel, die Webervögel huschen durch die Baumkronen, am blauen Himmel kreisen zwei Raubvögel. Mir zu Füßen liegt der kleine Hund des Hauses, ein zweiter, angekettet neben dem metallenen Hoftor, wedelt mit dem Schwanz als er mich sieht. Tegest, die junge Frau, die uns bekocht und uns gestern eine tolle Kaffeezeremonie zelebrierte, bruzzelt draußen in der kleinen Küche gegenüber unserem Esszimmer schon Rührei.

Mit unserem Toyota fahren wir quer durch die Stadt zum Mercato (Markt), dem angeblich größten von ganz Afrika. Hier hatte Mubarek sehr viel Zeit verbracht, bevor er nach Berlin kam, und er kennt beinahe jeden Winkel des Marktlabyrinths. Wir waren nicht allein, Mubarek hatte seinen jüngeren Bruder und weitere Familienangehörige mitgebracht, die uns zu aufdringliche Bettler und Händler vom Hals hielten.

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Mubarek sucht unsere Fässer aus Auf dem Mercato Marktprodukte

Die Fülle des Marktes ist unglaublich und es gibt sicherlich nichts, was hier nicht zu bekommen ist. Mubarek meinte, selbst all das, was zuvor irgendwo in der Stadt gestohlen wurde. Beeindruckend ist es zu sehen, wieviel ein Mensch zu schleppen vermag, seien es nun Säcke, Büchsen oder verschnürte Plastiktonnen, aber auch Eisenträger, große Fässer, Pfannen, Holz- oder Kleiderbündel.

Aus alten Ölfässern werden wiederum andere Gefäße oder Platten gefertigt. Wir liefen die Straße der Metallhändler hinab. In unseren Ohren eine Kakophonie aus Hammerschlägen, Kratzen, schrillen Schleifgeräuschen auf scheppernden und wummernden Stahl und Blech. Wie die unzähligen Arme eines riesigen Tiers bewegen sich rußgeschwärzte Hände, funkelten Augen, öffneten und schlossen sich schwarze Münder scheppernd voller Eisenschrott. Aus den Tiefen der haldengesäumten Gassen schien ein äonenaltes Stöhnen zu dringen, wie der Atem einer von innen glühenden Zivilisation. Als wir wieder nach oben ins Licht gelangen, sehen wir Berge von neuen Schaufelblättern, Äxten, Haken und Gabeln, dazwischen Kaffeetöpfe auf Dreiböcken, auch kleine Öfen für Holzkohlenfeuer.

Am Busbahnhof vorbei erreichen wir ein neues mehrstöckiges Gebäude, in dessen Innerem es infernalisch nach Dieselrauch riecht, da in dem nach oben offenen Kellergeschoß ein großes Dieselaggregat ohne Lüftung vor sich hin brüllt und die Abgase über mehrere Stockwerke nach oben steigen. In einem Laden für Wasserleitungsrohre erstehen wir nach längerem Palaver PE-rohre, Wasserschläuche, Schellen und Hähne.

Klaus und Mubarek halten unterwegs nochmals an, um eine kleine Solaranlage zu kaufen; leider war keine der zu kaufenden Anlagen komplett. Die von Mubarek aus Berlin mitgebrachte war leider nicht mehr vollständig, da im Flughafen Teile daraus gestohlen worden waren. Da die fehlenden Anlageteile ohne Solarpanel über 100 Euro gekostete hätten, kauften sie diese dann doch nicht.

Wieder zurück in unserer Unterkunft hatte Tegest, unsere Küchenfee, schon einen tollen Früchtecocktail aus Ananas, Mangos und Bananen gezaubert, danach gab es herrlich zubereiteten Kaffee.

Unterhielten uns am Tisch über die Zufriedenheit im Leben, dass die Fixierung auf rein materiellen Reichtum fragwürdig ist, wie es sich mit dem selbst erarbeiteten Lebensinhalten verhält und wie wichtig kreatives Schaffen ist. Erzählte dann noch von meinem Leben in Südfrankreich und wie es dort im Alter sein würde, bzw. was der Vorteil von altersgerechten WGs ist.

Nach Einbruch der Dunkelheit brachte uns unser Fahrer zu einem traditionell eingerichteten Restaurant, in dem eine Gruppe von Musikern, Tänzerinnen und Tänzern Gesangs- und Tanzeinlagen aus den verschiedensten Regionen Äthiopiens zum Besten gaben. Dazu war Samuel der Veranstalter, über den wir unser Fahrzeug und die Unterkünfte auf der Reise durch Äthiopien bekommen hatten, mit Beza, seiner deutsch sprechenden Frau gekommen, der als Veranstalter auch auf der Berliner Tourismusbörse gewesen war und dort Mubarek kennengelernt hatte. Michael war glücklich, da er seit Tagen zum ersten Mal ins Internet kam und so Kontakte für ein zukünftiges Filmprojekt zustande kamen.


lstethSamstag, 12. April 2014, Fahrt nach Weira

Aufstehen im Morgengrauen. Weckte die Anderen, nachdem ich im kleinen Bad fertig war. In der aufkommenden Morgenröte zwitschern die Vögel. Aus der Stadt dringt die Stimme eines Muezzins. Wollen spätestens um 9.00 Uhr losfahren. Zuerst soll die Fahrt zum Kinderheim Sebeta in der Nähe von Addis gehen, das Jana kennt und unterstützt. Danach dann weiter nach Weira.

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Vor der Abfahrt wird gepackt

Der Weg zum Haupttor voller betender
Menschen
Empfang am Klostereingang

Nach einer schnellen Fahrt durch die Industriegebiete von Addis kommen wir durch mehrere kleine Städtchen, die Straßen gesäumt von Marktständen. Häufig müssen wir den kleinen Taxis, Kühen und Maultieren ausweichen, die unser Fahrer in halsbrecherischen Manövern umkreist.

Zuerst fanden wir die Zufahrt zum Kloster Sebetaosm-link nicht und mussten nochmals wenden. Der Weg zum Haupttor war jetzt am Tag vor Palmsonntag voller betender Menschen, ebenso der Vorplatz vor dem Klostereingang, viele Menschen trugen weiße Kleider. Am Tor begrüßten wir eine Nonne, die Jana schon kannte, da sich die Priorin zu einem Krankenhausaufenthalt in Deutschland aufhält. Sie zeigt uns das große Gelände mit seinem alten Baumbestand und vielen Feldern, auf dem überall junge Männer arbeiten.

Der Weg führte uns zuerst zu den Stallungen, wo wir uns vor allem die Biogasanlage anschauen, die aber auf Grund der langen Leitungsstrecke und des geringen Gasdrucks nicht funktioniert. So kochen sie im Kloster für über dreihundert Menschen wieder mit den herkömmlichen Holzfeuern. Klaus hatte die Idee, das Gas in großen Gasballons, die von Weihenstephan entwickelt wurden und auf dem Rücken zu den jeweiligen Kochstellen getragen werden können. Wir wurden immer wieder von den vielen Kindern (z. Zt. 165 Kinder, die durch Aids ihre Eltern verloren haben) aufgehalten, die es zu begrüßen und zu fotografieren galt. Besonders toll fanden die Mädchen es, dass sie sich auf unseren Geräten gleich sehen konnten.

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Die Stallungen des Klosters/
Kinderheims Sebeta
Kochen mit Biogas

Klaus Pellmann im Waisenhaus Sebeta

Eine Gruppe von Frauen hob gerade Gräben für neue Fundamente aus, schleppte auf Tragen die Erde weg, stapelte Steine und grub gewaltige Wurzelstöcke aus. Wir schauten uns Schulräume an, fotografierten die schon älteren Mädchen in ihren Schuluniformen, was nur unter ständigem Kichern, Fragen und aufgeregtem Durcheinanderrennen möglich war. Hier sahen wir zum ersten Mal in Äthiopien, dass es für so viele Menschen kaum Toiletten gibt und wenn, sind die ohne Wasser und sehr schnell nicht mehr benutzbar.

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Schülerinnen in Sebeta Waisenkinder Drillinge

Weiter ging es stundenlang, zum Teil über neue Straßen, die überall im Land von chinesischen Firmen errichtet werden. Immer wieder sieht man viele Männer, die Gräben entlang der Straße ausmauern, oder Brücken bauen. Immer sind die Bauleiter und die Ingenieure an den Messgeräten Chinesen.

Die Berge in der Ferne kommen immer näher. Links und rechts der Straßen sehen wir jetzt die ersten Rundhütten, immer häufiger auch Dreschplätze, über die Ochsen im Kreis über das Dreschgut getrieben werden. Neben den Hütten sind häufig hoch aufgestapelte Mieten von getrockneten Dungfladen zu sehen, die als Brennmaterial verwendet werden.

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Dreschplatz kleine Rundhütten

In der Region von Weira dann unübersehbar die zahlreichen schön gebauten Rundhäuser der Gurage, die als die schönsten ganz Afrikas bezeichnet werden. Hin und wieder fahren wir auch an Baustellen vorbei, wo viele Männer damit beschäftigt sind, die großen Stangen für die Wände und das Dach der Häuser aufzurichten. Ganz oben, am meist mehr als zehn Meter hohen Mittelpfosten des Hauses, klammert sich ein Mann fest, der die an der Spitze zusammenlaufenden Dachträger befestigt. Dieser Mittelpfosten schaut an den fertigen Pfosten immer aus dem Dach heraus und wurde früher nicht nur im Süden mit einem Straußenei gekrönt. Heute ist er meist ganz profan mit Blech verkleidet, dienst aber den Vögeln, meist den Geiern, als Aufsitzstange.

Da es zum Glück nicht geregnet hatte, können wir zum Schluss der Reise die Graspiste, die als Straße kilometerweit durchs Dorf führt, benutzen. Häufig müssen wir aussteigen oder gleich das Fahrzeug aus den Rinnen und Löchern des breiten, unbefestigten Weges schieben. Im Abendlicht erreichen wir dann unser Projekthaus, bzw. das Haus des Bürgermeisters Fikadu, wo wir auch unterkommen. Die Attraktion war natürlich unser Auftauchen für die vielen Kinder von Weira.

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Pavian am Straßenrand Graspiste in Weira Wir werden schon erwartet

Im Haus des Bürgermeisters werden wir dann von den Dorfältesten und der Familie von Mubarek herzlichst begrüßt, die schon den ganzen Tag auf uns gewartet hat.

Für uns heißt das: Eintauchen in eine fremde, für uns noch archaische Welt, ohne Straßen, Strom und ohne fließendes Wasser. Auffallend war die nächsten Tage auch, dass überhaupt kein Abfall existiert, die Straßen in Weira sehen immer aus, als wäre gerade ein Trupp Gärtner durch das Dorf gefegt und habe alles aufs Feinste herausgeputzt. Auch gibt es keinen Lärm, keine Motoren, keine Musikberieselung, nicht einmal Kondensstreifen von Flugzeugen am Himmel.

Wir sind unverhofft in ein Paradies gelangt, deren verschiedene Versatzstücke aus Filmen oder Fotobänden zu sein scheinen, allerdings waren das Lachen der Frauen, das Muhen der Kühe und die lauten Rufe der Maultiere echt, stiegen wirklich Geier in den dunkelroten Himmel, kreischten die Affen am Fluss, hörten wir des nachts das heisere Bellen der Hyänen, blickten, wenn wir mal rausmussten, in die aus der Dunkelheit aufblitzenden Augen dieser großen Tiere. Hin und wieder sahen wir auch einen der gewaltigen Urwaldbäume, die einstmals das Gebiet der Gurage bedeckten, aber inzwischen in immer mehr Gegenden gnadenlos abgeholzt werden, uns aber dennoch einen Eindruck vermitteln, wie die Wälder früher einmal gewesen sein müssen.

Während der ganzen Fahrt kommen uns immer wieder gefährlich schwankende Lkws entgegen, hoch beladen mit Stangen von schnellwachsendem Eukalyptus, dessen Anpflanzung mehr und mehr den ursprünglichen Wald verdrängt, da er, einmal angepflanzt, all die anderen Waldpflanzen unterdrückt und nur schwer zu roden ist. Manchmal sehen wir Schatten aus einer verschwundenen Welt, aus den Augenwinkeln heraus Pavianfamilien, die vor oder hinter unserem Auto die Straße queren, auf der Suche nach einer verlorengegangenen Welt.

lstethSonntag, 13. April 2014, in Weira

Werde am Morgen, draußen war es noch Nacht, durch ein leises Murmeln geweckt, das bis in meine Träume rieselt. Wir liegen ja mit den Dorfältesten und Familienmitgliedern von Mubarek in einem Raum. Da die Gurage Anhänger des Islams sind, beginnen sie schon vor Beginn des Tages mit einem rituellen Morgengebet. Zuvor waren sie leise nach draußen gegangen um sich zu waschen. Da ich gut geschlafen hatte, trotz der nächtlichen Eulenrufe und den um das Haus streifenden Hyänen, gehe ich nach draußen um mich zu waschen. Wobei Waschen bedeutet, nicht in unserem Sinne, da sauberes Wasser ein sehr kostbares Gut ist. Zähne putzen, etwas Wasser ins Gesicht und über die Hände und fertig ist die Morgenwäsche.

Vor einem wunderschönen Himmel steigt die Sonne empor, fängt sich das Licht auf den grasgedeckten Runddächern, gleitet über die wunderschön gemusterten Wänden, streicht über die Fensterläden und verzierten oder bemalten Türlaibungen, taucht die Palisadenspitzen in ein unwirkliches Licht und bringt die Blätter der Falschen Bananen und der Kaffeesträucher zum Leuchten.

Die Kamera in der Hand, drücke ich wieder und wieder auf den Auslöser, war mir aber sehr schnell der Fehlbarkeit meines Tuns bewusst, fehlt auf den Bilder doch das Ganze, die Geräusche, der Duft und der Wind auf meiner Haut. Aber versuchen konnte ich doch, das alles mit dem geschriebenen Wort zu fassen. Aber noch oft fehlen mir die Worte, kommen sie zu langsam oder sind sie schließlich da, obwohl ein Fixieren nicht möglich ist, da unser Toyota mehr das Gefühl eines Trampolins vermittelt, so dass mein Tagebuch auf den Knien tanzt.

Will eigentlich noch ein paar Sätze notieren, komme aber nicht dazu. Überall erwacht jetzt das Leben, bringen Frauen uns Wasser, in der Kochhütte gegenüber wird das Kochfeuer für den Kaffee angezündet, kommen immer mehr Menschen aus den Hütten um uns zu begrüßen.

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Hinter den Häusern wächst die falsche
Banane
Auch die Kinder begrüßen uns

Vorstellungsrunde mit dem Bürgermeister

Im Gästehaus des Bürgermeisters werden die Schlafmatten weggeräumt, viele Kissen entlang der Wände aufgereiht, auf die wir uns niederlassen. In kleinen Tassen bekommen wir gesüßten Kaffee gereicht, auf Tellern geröstete Getreidekörner und Erdnüsse. Zuerst sprechen alle Männer aus Weira ein Gebet, dann beginnt die Vorstellungsrunde. Der Bürgermeister begrüßt uns und hält eine kurze Ansprache, die uns Mubarek übersetzt. Diese Art der Aussprache werden wir all die Tage in Weira beibehalten. Hier legen wir unsere Tagesarbeiten fest, besprechen all die auftauchenden Fragen. Der Bürgermeister bedankt sich bei uns, dass wir von so weit hergekommen seien, um ihnen im Kampf für eine besseres Leben zu helfen. Er betont, dass sie ihre Probleme auch alleine lösen wollen, sie erzählen uns nur, was über ihre Kräfte hinausgeht. Sie brauchen vor allem Wissen, das sie ihren Kindern weitergeben, damit die auch die Dinge reparieren können und die Arbeit fortsetzen. In Zukunft wollen wir, dass ihr uns zur Seite steht, bei unseren Problemen und deren Beseitigung:

Erstes Problem: Sauberes Wasser, ihre Entnahmestelle am Fluss werden sie uns zeigen.
Zweites Problem: Gesundheit, oft sterben Frauen bei der Geburt, weil es keine Hilfe gibt.
Drittes Problem: Die Schulen sind zu weit entfernt, die Kinder sind oft schon erschöpft, wenn sie dort ankommen.
Viertes: Nach der Schule gibt es in den Häusern kein Licht, um noch zu lernen.
Fünftes: Befahrbare Straßen würden viele Leben retten.
Sechstes: Das lokale Gesundheitszentrum muss gut ausgestattet werden.

Danach geht es zum Gemeinschaftshaus, wo wir unsere Schautafeln befestigen und unsere kleine Solaranlage aufbauen und erklären. Bald sind wir von vielen Kindern und Jugendlichen umringt, die uns unentwegt Fragen stellen.

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Die Dorfältesten vor dem Gemeinschaftshaus Die kleine Solaranlage wird bestaunt Auch der Solarkocher stößt auf Interesse

Mit Jermal, dem Onkel von Mubarek, befestige ich erst einmal rings um die mit einem Wellblech überdachte Erdtoilette eine schwarze Folie, damit auch die Frauen in unserem Team ungestört die Toilette aufsuchen können. Später beginnen wir den großen Solarkocher zusammenzubauen, wozu wir sehr viel Fingerspitzengefühl benötigen. Nachdem wir den Solarkocher nach der Sonne ausgerichtet haben, können die Frauen und Kinder gar nicht glauben, dass es im Zentrum des Parabolspiegels so heiß ist. Immer wieder verbrennen sie sich die Finger. Nach einem kurzen Gewitterregen bauen wir dann weiter an der Solaranlage.

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Mubarek gibt Hinweise zum Solarkocher

Conny und Michael vor dem Verteilen
der Sofortbildkameras
Zuhörerin

Conny und Michael verteilen an die Kinder 30 Sofortbildkameras, mit denen sie eigenständig Bilder fotografieren sollen und die später in zwei Ausstellungen, sowohl in Weira, als auch in Berlin, gezeigt werden sollen.

lstethSonntag, 13. April 2014, nachmittags und abends im Gemeinschaftshaus in Weira

Klaus und Hailu schaffen es, das Gemeinschaftshaus erst einmal provisorisch mit Strom zu versorgen, so dass wir im Haus Licht haben. Die Gurage von Weira haben für uns und für die Dörfler, von denen viele beim Bau eines neuen Hauses geholfen hatten, ein großes Festessen angesetzt. So sitzen nicht nur auf den Teppichen im Haus, sondern auch auf der kleinen überdachten Veranda vor dem Haus an die hundert Menschen.

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Klaus und Hailu verlegen im Gemeinschafts-
haus Stromleitungen
Klaus fixiert Leitungen

Gegen 22.00 Uhr werden dann zuerst zwei Höckerkühe vor das Haus, später eine davon ins Haus geführt. Der Dorfälteste spricht dann über der Kuh den Segen, den alle mit einem Amen begleiteten. Danach wird die Kuh wieder vor das Haus gezogen, wo ihr der Dorfmetzger mit einer großen Machete den Kopf abtrennt. Mehre Minuten dauert der Todeskampf. Nach einiger Zeit wird das Fleisch mit geübten Schnitten von der Haut gelöst und in große Stücke zerlegt. Diese und die Innereien bringen mehrere Männer in die Küche, wobei die Frauen einen Teil der Innereien später zum Räuchern/Trocknen an den Wänden aufhängen.

In der Küche zerlegen sie das Fleisch weiter und ein Teil, vor allem der für uns gedachte, wird angebraten. Dieses, ähnlich Geschnetzeltem, wird uns auf großen Platten zusammen mit Injera gebracht. Vor dem Essen werden uns immer die Hände gewaschen, d. h. wir hielten die Hände über eine Schüssel und Fuad, Mubareks Bruder goss uns Wasser über die Hände. Den Anderen, vor allem den Dorfältesten werden später Fleischstücke in Bananenblätter eingewickelt und mitgegeben.

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In der Küche wird das Fleisch weiter zerlegt

Die Männer essen das Fleisch roh

Für uns gibt es sogar einen vegetarischen
Teller

Der Bürgermeister verteilt nun rohe Fleischstücke mit bloßen Händen, die er den am Boden sitzenden Männern zuwirft. Später beißen sie in die großen rohen Fleischstücke und schneiden sie mit scharfen Bambussplittern vor den Lippen ab. Die nicht verwertbaren Reste des Rindes werden den Hyänen, die schon den ganzen Abend um das Haus streichen, überlassen. Am nächsten Morgen sitzen auf dem blutgetränkten Boden vor dem Haus zwei Geier.

lstethMontag, 14. April, Besuch der Primary School und Kauf von Holz für eine Dachrinne

Sitzen am Morgen wieder in unserem Schlafraum, trinken Kaffee und überlegen, was wir heute in Angriff nehmen. Angedacht war der Bau von hölzernen Dachrinnen, endgültige Montage des Solarmoduls etc., Besuch der Primary School und der Kauf von Brettern für unsere Holzdachrinne. Zuerst befragen wir aber den Bürgermeister nach dem Zustand der Böden auf den Feldern des Dorfes. Er meint, dass sie ganz gut wären, sie also auch keine Düngemittel brauchen, da sie auch immer wieder organische Materialien einarbeiten.

Nachdem wir mit dem Frühstück fertig sind, fahren wir mit unserem Toyota runter zum Fluss und auf einem sehr schwer zu bewältigenden Weg hoch zur Hauptstraße. Müssen neben dem Auto herlaufen, wir waren zu schwer, und mit Spaten und Hacken den Weg begradigen und kleine Hügel abtragen. Unvorstellbar, wie diese Wege zur Regenzeit aussehen.

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Immer wieder werden Hindernisse beseitigt Gräber am Wegesrand Unser Regisseur mit Assistent

Zuerst fahren wir an unzähligen Rundhütten vorbei runter nach Weira, wo wir die Meger Weira Primary School (Grundschule bis zur achten Klasse) aufsuchen. Nach der Begrüßung durch den Rektor der Schule besichtigen wir verschiedene Klassenräume und die meist von den Lehrern selbst hergestellten Karten und naturkundlichen Sammlungen.

Mehrere der mit Regierungsgeldern gebauten Schulgebäude sind allerdings nicht mehr benutzbar, da ohne Fundamente errichtet und zum Mauern minderwertiger Sand verwendet wurde. So setzten sich die Mauern und es entstanden überall Risse, so dass die Gebäude einsturzgefährdet sind. Aber nicht nur die Gebäude sind ein Problem, es gibt auch kaum Schulbücher, so dass sich immer mehrere Kinder ein Buch teilen müssen und darin nur in einem Raum unter Aufsicht lesen.

Auch hier, so wie schon in Sebeta, gibt es nur wenige Toiletten, ein Toilettengebäude ist einsturzgefährdet, ein zweites mit sechs Abteilen, drei für Jungen, drei für Mädchen muss dann für 1200 Schüler/-innen genügen – und das alles ohne jegliches Wasser, auch nicht, um die Toiletten oder die Hände zu säubern. Strom hat nur das Büro des Rektors, an der Wand die Stundenpläne der Lehrer. Jeder Lehrer hat im Schnitt 65 Schüler pro Klasse.

Wir dürfen in ein paar Klassen den Unterricht besuchen. Sehr beeindruckend sind die vielen kleinen Modelle, die die Schüler aus einfachsten Mitteln bauen, um z. B. die Funktion eines Verbrennungsmotors zu zeigen, eines Solarofens oder eines Windrotors. Toll die vielen selbst gemalten und auf Leisten genagelten Landkarten.

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Unterricht Die Schulbibliothek für 1200 Schüler Kartenmaterial
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Der Elektromotor Das menschliche Herz Windrad

Auf dem Rückweg fahren wir noch zur Meger Andinet Seci School, einer Oberschule. Sie wurde von einer in der Schweiz lebenden Äthiopierin und ihrem Ehemann gegründet und aufgebaut. Von der langen Zufahrtsstraße über die Gebäude bis hin zur Strom- und Wasserversorgung wurde alles privat gesponsert.

Da die Schule so abseits liegt, gibt es unter den Lehrern eine sehr große Fluktuation; die meisten lassen sich nach zwei Jahren versetzen. Da einer der Schulgründer erst vor kurzem verstorben ist, bangen nun die 26 weiteren Schulmitarbeiter um ihre Stellen. Die Schule besitzt einen 160 m tiefen Brunnen, aus dem mit Hilfe eines Generators Wasser gefördert wird. Auch die Stromerzeugung der Schule läuft über denselben Generator, der aber wieder einmal nicht funktioniert. Jeden Tag, den er läuft, verbraucht er für ca. 800 Birr Treibstoff, etwa 30 €, was in Äthiopien sehr viel Geld ist.

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Vor der Oberschule besuchen uns Männer
aus dem Umland von Weira
Kartenmaterial

Wandgemälde eines Klassenzimmers

Die Schule ist von den sechs Oberschulen der Region die beste, was die schulischen Leistungen anbelangt. Viele der Schülerinnen und Schüler müssen bis zu 2,5 Stunden laufen, um zur Schule gelangen, was vor allem während der Regenzeit beinahe unmöglich ist. Auf dem Rückweg staunen wir auch hier wieder über die großen Gurage-Rundhäuser mit ihren geschnitzten Tür- und Fensterlaibungen. Am Himmel über uns immer wieder Geier, die häufig auch auf den Mittelpfosten der Rundhütten sitzen.

Auf dem zentralen Markplatz von Weira suchen wir einen Schreiner auf, um die Bretter für unsere Holzdachrinne zu kaufen. Bis der Schreiner mit einer alten Kreissäge die Bretter besäumt, gehobelt und abgelängt hat, lassen wir uns in einem kleinen „Foodstall" nieder, wo wir wieder Injera in verschiedene Saucen tunken und dazu Cola und Kaffee trinken.

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In der Tischlerei von Weira Das Werkzeug des Tischlers Das Besäumen der Bretter

Zuerst stapeln wir die Bretter auf unserem Fahrzeug, später tragen wir alle von der Haupttrasse, wo unser Fahrzeug wegen eines drohenden Gewitterregens zurückbleiben muss, über die rote Erde runter zum Fluss und wieder hoch zu unserem Gemeinschaftshaus, ebenso die vielen mitgebrachten Wasserflaschen, die für uns Europäer lebensnotwendig sind. Vor dem kurzen Gewitterregen flüchten wir unter den Dachüberstand des Gemeinschaftshauses. Klaus und Hailu bauen weiter an der Solaranlage, die Probleme macht, fehlt einfach ein ebenfalls aus dem Gepäck entwendeter Laderegler. Versuche zusammen mit einigen Jugendlichen, später mit Michael, unsere Holzdachrinne nach der Montage am nicht sehr stabilen Dach zu befestigen. Jetzt sitzen wir wieder im Gemeinschaftshaus, inmitten von 30 Männern und Frauen, essen und trinken Kaffee. Klaus rechnet und rechnet, da die Solaranlage nicht so funktioniert, wie sie soll.

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Klaus befestigt das Solarpaneel

Conny und Jana lassen sich die
Kaffeezeremonie erklären
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Abendstimmung über Weira Geier vor unserem Modellhaus

Zwischendurch kommt immer wieder Merida, ein 17-jähriges Mädchen aus dem Nachbarhaus zu Conny und Michael und erzählt von ihrem Traum, auf einer Hochschule zu studieren. Überlege mit Michael zusammen ein Regenwasserauffangsystem aus Tonröhren um die Guragehütten zu installieren. Klaus überlegt hin und her, vielleicht besser doch einen anderen Laderegler in die Solaranlage einzubauen. Wünsche mir nur, heute nicht so spät ins Bett zu kommen.

lstethDienstag, 15. April 2014, in Weira

Früh, gut ausgeschlafen aufgewacht. Angenehm kühl, als ich vor das Haus trete. Gießen uns gegenseitig etwas Wasser über den Kopf. Mit etwas Shampoo haben wir sofort das Gefühl wieder sauber zu sein. Gestern Abend suchte ich mit einigen Jugendlichen Hyänen, denen wir hinterherrannten, waren allerdings zu langsam. Nun muss ich am Morgen mit einem Bambussplitter meine ziemlich verschmutzten Schuhe säubern. Meine Wanderschuhe sind seit dem Festgelage am Vortag verschwunden, entweder waren es die Hyänen oder ein Hirte, der im Dunkeln die Schuhe verwechselte.

Sitzen wieder im Schlafraum und trinken den frischen Kaffee. Danach Arbeitsbesprechung mit Mubarek und dem Bürgermeister, sowie Männern aus dem Dorf. Sie erzählen, wie es früher war, dass vieles besser gewesen sei. Ein anderer meint, man müsse aber auch das Schlechte erwähnen. Für uns gab es keine Schule, erst unseren Kindern wurde das Licht gebracht, sie können lesen und schreiben, ihnen steht vieles offen.

Gemeinsame Aussprache über unsere Ideen, was haben wir umgesetzt, wo tauchten Probleme auf, was schaffen wir nicht, wo sind unsere Schwachpunkte? Hatten alles bis ins kleinste Detail geplant, zwei Tage für das Licht gebraucht, für den Aufbau des Solarkochers, sprachen das Thema Wasser an. Jetzt am letzten Tag sollten wir das Angefangene zu Ende bringen, den Rest als Modelle zeigen.

000s-ethWir arbeiten bis zum Mittag, danach gehen wir auf den Markt in Weira, uns die Ressourcen der Community anschauen, den Fluss, aus dem die Menschen von Weira ihr Wasser holen. Danach auf dem Markt lokale Produkte für die Versteigerung in Berlin einkaufen. Michael braucht zum Filmen Strom, entweder über die Solaranlage oder aber über den Generator. Wenn er wieder filmen kann, nimmt er sich die Gärten der Guragi und den Fluss vor.

Wichtig auch für Mubarek, wo können wir weitermachen, was sind die nächsten Schritte für Weira? Cornelia überlegt, dass es unter Umständen ein Problem mit unseren politischen Diskussionen geben könnte. Für Klaus ist wichtig, das bereits Angefangene zu Ende bringen, die PV-Anlage prüfen, Fehler beheben, das Solarmodul endgültig montieren, Kabel fixieren. Wichtig wäre auch, die Wassersituation gemeinsam zu überlegen, Wasser zu beproben etc., auch die landwirtschaftliche Situation gemeinsam sehen. Wir sollten überlegen, ob wir nicht einen Tag später fahren.

Mubarek will, dass allen klar wird: Wir haben alle intensiv gearbeitet, ein Laderegler ist geschmolzen, welche Lösung sollten wir jetzt ansteuern. Mubarek will keinen 4. Tag in Weira bleiben. Besser wir gehen jetzt systematisch vor. Die Leute vor Ort, die dazu ja ihre Arbeit unterbrechen mussten, teilweise von weit her anreisen, haben sich auf drei Tage eingestellt. Daher ist es besser, wir bleiben nicht länger. Darauf Klaus: "Mir geht es um das Grundsätzliche! Viele Verzögerungen sind auch der Höflichkeit geschuldet, hatten einfach nicht genug Zeit! Mittwoch fahren wir nach Arba Minch, unterwegs Sehenswürdigkeiten besichtigen, NGOs besuchen, weiter nach Konso, um uns Betriebe zum Thema Permakultur und Kleinbauern ohne Düngemittel anzusehen. Wir müssen Freitag zurück in Addis sein, um am Samstag früh nach Lalibela zu fliegen. Wollen Ostersonntag früh das Osterfest sehen, einen der höchsten Feiertage der Christen in Äthiopien. Montag Rückflug nach Addis und Besuch bei Hailu, Dienstag letzter Einkaufstag, danach der Rückflug".

Mubarek erzählt noch von Differenzen innerhalb des Ältestenrats. Eine Fraktion will Wasserleitungen bauen, wo danach die Einwohner von Weira 30 Birr für den Kubikmeter Trinkwasser zahlen müssen, Mubarek will Brunnen für alle, von der Community gebaut. Mubarek will noch die Höhenunterschiede des Geländes mittels GPS feststellen. Mubarek meint, er wollte nie eine Konkurrenzsituation, aber jetzt hat er sie. Er erzählt auch, dass anfangs der Verdacht geäußert wurde, wir wären nur Theoretiker, wogegen Mubarek widersprochen hat. Mubarek wird weiterhin mit der Dorfgemeinschaft zusammenarbeiten.

Fazit: Für sauberes Wasser wird nichts unterschrieben, bevor nicht alle entstehenden Kosten auf dem Tisch liegen. Auch gibt es Menschen im Dorf, die zum Projekt nicht gekommen sind. Jetzt denken die, die immer mit uns zusammen sind, die anderen hätten Bedenken, dass wir uns nicht wohlfühlen, die Menschen von Weira nicht gastfreundlich genug sind.

Klaus hat die Solaranlage nun sturmsicher auf dem Dach befestigt. Die Holzdachrinne ist auch angebracht, da sie allerdings nur genagelt und nicht geschraubt war, war sie mir nicht dicht genug. So überlegen wir, wie wir eine Rinne aus Blech anbringen können, allerdings gibt es nur Wellblech in Weira zu kaufen, auch keine Rohre. So bauen wir die Holzdachrinne wieder ab und fahren auf den Markt im Zentrum von Weira.

Da es schon spät ist, kommen uns auf der Straße viele Marktbesucher entgegen, die noch vor Anbruch der Dunkelheit in ihre Häuser zurück sein müssen. Immer wieder bahnen wir uns einen Weg durch Ziegen und Rinderherden. Viele der Frauen und Männer begrüßen uns mit „Salam". Die meisten Frauen tragen große Taschen oder Säcke auf dem Rücken. Dieser endlose Zug an Menschen wirkt auf uns wie ein aus archaischer Zeit eingefrorenes Bild. Je näher wir zum Zentrum des Marktes kommen, umso mehr, vor allem junge Menschen sitzen auf dem Boden, vor sich ausgebreitet die Töpfe, Gewürze, Gemüse, Hühner und Früchte, die sie zum Verkauf anbieten. Bald sind wir von einer großer Menge von Kindern und Jugendlichen umringt, die uns mit großen Augen anschauen. Niemand bettelt.

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Hausbau am Straßenrand Markt in Weira Marktszene

Als wir immer weiter ins Zentrum des Markts vordringen, auch mal stehen bleiben, um getrocknete Früchte zu kaufen, werden wir fast erdrückt. Neben dem Markt kaufen wir zum Schluss drei Wellbleche, die wir zu Dachrinnen schneiden und biegen wollen. Mal sehen, ob wir das morgen an unserem letzten Tag in Weira noch schaffen.

Mohammed von „Give Water", der viel mit uns zusammen war, erzählt mir auf dem Rückweg, dass die Kopfbedeckungen der Männer in Weira Kuftaq oder Timtam heißen. Früher gab es viele orthodoxe Christen und kaum Moslems und die Gurage-Kopfbedeckung war verboten. Ein Scheich aus dem Volk der Gurage ging in dieser Zeit nach Addis und hatte eine Kufta in den äthiopischen Farben auf dem Kopf. Dazu sagte er: „Wir gehören auch zu euch." Seitdem durften die Gurage ihre Kopfbedeckung sogar vor dem König tragen.

lstethMittwoch, 16. April 2014, in Weira

Haben beschlossen, einen Tag länger in Weira zu bleiben. Hatte mir gestern beim Herunterspringen von einem Wasserfass das Knie verdreht. Habe es gleich mit Voltaren eingerieben und verbunden, um es zu stabilisieren. Mohammed fragte mich auch aus nach unseren Kenntnissen im Brunnenbau.

Jetzt sitzen wir wieder mit den Männern zusammen und sie erzählen uns von ihrer Arbeit auf den Feldern. Der Bürgermeister erzählt: „Alles was wir machen ist Handarbeit, weil wir mit Ochsen nicht durchkommen. Wir düngen aber organisch und pflanzen nach Fruchtfolgen an und in Mischkulturen. Es gibt z. B. drei Sorten von Grünkohl; einer wächst in der Regenzeit, danach eine Art Rosenkohl und drittens ein sehr hoher Kohl, der ein Jahr braucht und immer wieder nachwächst. Legen auch Kartoffeln, einmal in der Regenzeit, in der übrigen Zeit müssen wir sie ständig wässern, holen uns die Esel das Wasser vom Fluss. Das Abwasser vom Hände waschen wird zum Gießen verwandt. Der beste Bauer wird immer prämiert. Wir müssen das machen und dem besten einen Preis geben, den ich überreiche. Meist bin ich es auch selber. Der Beste ist für die anderen ein Vorbild als Bauer und Tierbesitzer. Jetzt bin ich müde und auch öfters krank. Früher hätte ich nicht die Zeit gehabt, mit euch hier zu sitzen.

Wir fragen auch, was macht ihr, wenn Tiere krank sind, kommt da ein Tierarzt oder habt ihr traditionelle Mittel? „Wir haben unsere Mittel aus Wurzeln und Blättern, wertvolle Tiere werden zig Kilometer zu einem Tierarzt gebracht. Die Tiere sind Freunde, sind für uns wie ein eigenes Kind. Ein Bauer zu sein bedeutet, immer hart zu arbeiten, ohne jegliche Unterstützung.

Gibt es auch Epidemien? Es kommt manchmal im Winter vor, dass ein Tier krank wird und nach ein paar Tagen sind alle Tiere verendet. Bei den Hühnern haben wir zurzeit eine Krankheit, an der sie aber nicht sterben. Die Hühner sind für den eigenen Verbrauch. Bei einer Epidemie muss schriftlich ein Tierarzt beantragt werden. Zuerst sagen sie, wir brauchen einen Zaun und bis endlich jemand kommt, sind die Tiere schon tot.

Es wird auch Waldwirtschaft betrieben. Allerdings macht uns der Eukalyptus Probleme. Er saugt alles Wasser auf, wird schnell sehr hoch. Wir haben Bäume, die Schatten geben und kleineren Pflanzen Schutz bieten. Wenn wir unsere herkömmlichen Bäume absägen, müssen wir neu pflanzen. Wenn man den Eukalyptus abschneidet, treibt er sofort wieder aus und bildet neue Pflanzen und ist so schädlich für den Wasserhaushalt. Seine Wurzeln wachsen nach unten und er hat viele Wurzelausläufer und ist schlecht zu roden. Dieser Baum ist nicht gut in der Nähe unserer Gärten. Es gibt bestimmte Baumarten, die Schatten spenden und die wir für den Hausbau nutzen. Diese Bäume dürfen nicht auf dem Markt verkauft werden.

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Kohlfeld Kaffeestrauch Küche neben dem Haus

Wir fragten nach, wie denn die Guragehütten gebaut werden und aus welchem Holz? Die Gurage nehmen für ihren Hausbau das Holz von drei verschiedenen Bäumen. Hauptholz ist Eukalyptus. Das Holz einer bestimmten Bambusart wird aufgeschnitten und festgebunden. Aus der Rinde eines weiteren Baumes werden die Seile gedreht. Auch das Gras für das Dach baut jeder Bauer selber auf seinem Ackergrundstück an. Der Dachdecker wird oben am Hauptpfosten angebunden und befestigt oben die gesamte Dachtragekonstruktion.

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Dachüberstand eines Guragehauses Gras für die Dachdeckung Im Guragehaus

Danach bindet er Grasbündel an verschiedenen Stellen auf dem Dach ein. Bis das gesamte Dach fertig ist, können bis zu drei Monate vergehen. Die Grasdeckung hält fünf Jahre, danach muss ausgebessert werden. Wenn ein Gurage sein Haus baut, muss er das Holz oft sehr weit bis zu seinem Haus transportieren und erst einmal lagern.

Nach dem Hausbau ist ein Mann meist so erschöpft, dass er einige Monate nicht mehr arbeiten kann. Leute, die die Materialien/Mittel haben, können bauen. Manche haben keine Mittel, sammeln schon lange Zeit Material und müssen sich dafür bei anderen verdingen. Die typischen Gurage-Rundhäuser sind außen aus Holz, innen sind die Zwischenwände aus Lehm.

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Eingangstür ins Haus Mit den Tieren unter einem Dach Die gute Stube

Zum Schluss meint der Bürgermeister: „Ich werde euch jetzt etwas sagen: Vieleicht gibt es bei euch Leute mit Geld. Ihr solltet in unsere Gemeinde Leute bringen, die uns in unserem Arbeitskampf unterstützen und dafür viele neue Erfahrungen erhalten. Wenn ihr bei euch zuhause gut von uns erzählt, gibt es vielleicht diese Menschen, die uns unterstützen, die Ideen haben, um unseren Arbeitsalltag zu erleichtern. Es gibt heute Arbeitsmittel, die unsere Arbeit stark erleichtern würden. Aber ich denke auch, die Problem werden nie ein Ende nehmen".

Danach haben wir die letzte Arbeitsbesprechung in Weira: 1. Dachrinne fertig bauen, 2. nochmals nach der PV Anlage schauen, 3.von der Wasserstelle Wasserprobe entnehmen für eine einfache Analyse mit unserem Wasserkoffer, 4. Bodenprobe nach Berlin zur Analyse mitnehmen, 5. Eingangstür reparieren.

Gut wäre es, wenn wir für die Haushalte/Schulkinder der Umgebung kleine PV-Anlagen hätten. Jana meint, wir können über Spendenmittel etwas Geld eintreiben. Frage ist nur, was können wir von hier nach Berlin mitnehmen? Wie wäre es damit Möbel oder Kaffee zu verkaufen, zu den einzelnen Gegenständen immer die Entstehungsgeschichte mitverkaufen, schöne Fotos machen. Durch Handel ließe sich Geld verdienen. Oder mit einer Art Ökotourismus. Die Frage ist nur, wie dies mit handwerklichem Können koppeln?

Wir diskutieren weiter, wie können wir Werbung für das Leben der Gurage machen ohne nur Aussteiger etc. zu erreichen, die für die gastfreundlichen Gurage auch nicht gut wären. Die alte Diskussion, wie können interessante Dinge erzeugt werden, ohne gleich in eine Schuldspirale und neue Abhängigkeiten zu geraten? Hat ja die ganze Diskussion auch mit „Faire Trade" etc. zu tun. Müssen unbedingt diese Überlegungen in Berlin fortsetzen.

Letzter Arbeitstag am Musterhaus von Weira. Beginne nach dem Frühstück zusammen mit Michael und den Jungs, die am Tag zuvor gekauften Wellblechteile zuzuschneiden, zu falzen und mit Befestigungslöchern zu versehen. Die Rinnenteile befestigen wir dann mit einem vorher festgelegten Gefälle am Dachvorsprung.

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Die Wellbleche werden zugeschnitten Befestigung der Wellblechdachrinne Untersuchung des Quellwassers

Klaus hat in der Zwischenzeit nochmals die Solaranlage überprüft, danach mit Michael zusammen die Bewässerungsanlage (Schauanlage) vorbereitet. Mittags hatte ich mich kurz hingelegt, als Fuad, der jüngere Bruder von Mubarek, mein schmerzendes Knie, danach meine Füße zu massieren begann, was mir sehr gut tat.

Nach dem obligatorischen Mittagessen gehe ich mit den Jungs durch die Felder hinunter zum Fluss, der immer Wasser hat. Danach untersucht Klaus, umgeben von vielen Jugendlichen und den Frauen aus dem Modellhaus, das Quellwasser nach Härte, Sauerstoffgehalt und Spurenelementen. Während der Wasseruntersuchung landen zwei Geier neben uns und lassen sich von uns nicht stören. Später besucht uns noch ein Physiklehrer aus der Primary School von Weira. Auf unser Nachfragen erzählt er uns, dass hier ein Lehrer ca. 2500 Birr monatlich verdient, was in etwa 90 € sind. Nebenher verarztet Michael noch einen Jungen mit einer Schnittverletzung der Fußsohle, d. h. desinfizieren, mit Wundsalbe versehen und verbinden. Die Jungs konnten gar nicht glauben, dass Michael kein Arzt ist.


lstethDonnerstag, 17. April 2014, Fahrt von Weira nach Konso

Am Morgen in Weira von Sonnenstrahlen geweckt. Verpacken alles, auch unsere Liegen, die in Weira bleiben. Freue mich jetzt schon nach fünf Tagen ohne richtige Waschgelegenheit auf eine Dusche. Sicherlich können wir die heute Abend in Konso nehmen, mal sehen.

Der Bürgermeister erklärt uns nochmal ausführlich die Kaffeezeremonie, die ja Conny und Jana schon von den Frauen gezeigt wurde. Die Kaffeezeremonie wird von einer Frau auf einer Fläche mit frisch gestreutem Gras zelebriert. Zuerst werden die getrockneten Kaffeebohnen gewaschen und ausgelesen. Danach auf einer Eisenplatte oder Pfanne über einem offenen Feuer geröstet. Dabei wird uns der Duft der frisch gerösteten Bohnen ins Gesicht gewedelt.

Anschließen wird der Kaffee in einem Mörser gestampft und schließlich in einem bauchigen Topf (Jabana) dreimal aufgekocht, damit sich der Kaffeesatz absetzt. Bis zu dreimal wird derselbe Kaffee gebrüht und pur oder mit Salz in kleinen Tassen serviert (wir bekamen Zucker dazu). Dazu gibt es Knabbereien aus geröstetem Getreide, Kichererbsen oder Popcorn.

Wir schultern unsere Rucksäcke, ein letzter Blick zurück, gehen wir die Grasfläche zwischen den Rundhütten entlang. Weiter vorn stößt zwischen den Kühen und Eseln ein bereits hoch beladener Bus schwarze Dieselwolken aus. Um ihn herum bewegt sich eine große Menschenmenge in bunten Gewändern. Fast hätte ich unser Landesstellenemblem über dem Eingang zum Musterhaus vergessen. Immer mehr Säcke und Taschen wandern in den Bus, vorbei an Gesichtern mit blitzenden Augen und lachenden Mündern. Nicht lange und ich bin bis in Schulterhöhe mit Gepäckstücken zugebaut.

Neben mir drückt eine ältere Frau ihre in einem Korb befindlichen Hühner ängstlich gegen ihre Brust. Ein alter Mann in weißem Burnus, seinen langen Spazierstock über den Arm gehängt bleibt hoffnungslos verheddert in den Schleifen der Rucksäcke hängen. Aus den Lautsprechern dringt scheppernd amharischer Gesang, begleitet von Trommelschlägen. Zuvor hatten wir noch versucht den Abtransport unserer gesamten Werkzeugkisten nach Addis zu verhindern. Aber zu spät, sie waren schon aufgeladen und der Busfahrer fuhr ab.

Schaukelnd und schlingernd setzt sich der Bus Richtung Flussbett in Bewegung. Immer wieder setzen die Radkästen auf den Reifen auf, wirbelt der Bus Wolken von rotem Staub empor und macht so die neben dem Bus rennenden Kinder zu Schemen. Nachdem wir die Straße ins Zentrum von Weira erreicht haben, wird schnell unser Gepäck, außer den auf dem Busdach festgezurrten Werkzeugkisten in unseren Toyota umgeladen. So beginnt unsere 11-stündige Reise nach Konso in den Süden von Äthiopien.

Immer wieder säumen die Straßen viele schöne Rundhäuser. Eine Staubwolke hinter uns herziehend fahren wir eine über eine mäandernde Straße durch abgegraste Hügel, über die Kuhherden ziehen. Fast erinnert die Landschaft an das Allgäu, wären da nicht die immer wieder auftauchenden, so ganz anderen Baumgruppen und diese rote Erde. Immer wieder queren wir Flüsse, in denen Frauen Wäsche waschen und diese wie einen gewaltigen Flickenteppich auf den Felsen drapieren. Dazwischen ins Wasser getriebene Viehherden und große Lastkraftwagen, die im selben Wasser gewaschen werden. Und überall die Esel mit ihren Kunststoffbehältern, in die das Flusswasser geschöpft wurde, um sie zu den weiter weg gelegenen Häusern zu transportieren.

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Immer wieder Tukuls (Rundhäuser)
am Straßenrand
Kuhherden

Flusswäsche

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Pflügen

Nester von Wasservögeln neben
„Bienenrolle“
Wasserflächen am Horizont

Später tauchen weiter unten die ersten Wasserflächen, der Abaya Hayk (Abajaseewpicon) und der Chamo Hayk (Chamoseewpicon) auf, zwei gewaltige Seen. Weiter und weiter geht die Fahrt. Kinder kommen aus der Schule, ihre Bücher und Hefte unter den Arm geklemmt, die Mädchen tragen noch einen Wasserkanister in der Hand, häufig auch nur eine Kalebasse. Am Straßenrand liegt leblos ein Mann, mehrere Menschen beugen sich über ihn.

Später sitzen Marabus auf den Schirmakazien, daneben hängen viele zusammengerollte Rohrmatten als Bienenstöcke. Auf dem flimmernden Asphalt liegt ein Kuhskelett, der Rest, den die Geier und Hyänen übrig ließen. Kurz vor Arba Minchwpicon kommt uns ein Konvoi der UN entgegen. Immer kleiner und armseliger werden die Rundhütten der Siedlungen am Straßenrand, kurvt unser Fahrzeug durch endlose Rinder- und Ziegenherden, deren Blöken uns bis in die Nacht hinein begleitet.

Hin und wieder sehen wir im Dunkel der Nacht das Flackern eines Herdfeuers, hören wir wie einen Klangteppich das Zirpen der Grillen, taucht im Scheinwerferlicht ein Kuhreiher auf. Immer wieder schaukelt unser Auto durch ausgetrocknete Flussbetten, durch die in der Regenzeit tosend das Wasser schießt, alles mit sich reißend.

Als wir in Konsowpicon ankommen, können wir es kaum glauben, fühlen uns in eine Filmszenerie mit Safari-Lodge versetzt, lassen uns, nachdem wir unsere Zimmer zugewiesen bekamen, einfach auf die Betten fallen, unsere Blicke wandern die toll geflochtenen Wände und Dächer nach oben, die wir im elektrischen Licht sehen können.

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Jeder bekommt eine Rundhütte zugwiesen Blick unters Dach Der Blick geht weit übers Land

 

lstethFreitag, 18. April 2014, Konso und Rückfahrt bis Hawassa

Wieder ein Platz auf dieser Erde wie in einem Paradies des Unwirklichen, Märchenhaften. Über die grasgedeckten Dächer des Lodges geht mein Blick weit hinaus über das Land auf Vulkankegel, gewaltige Baumriesen, die in den Himmel ragen, unterlegt mit dem Rauch aus vielen Holzkohlenfeuern, weiter hinten, Ende eines Passepartout aus Licht und Schatten der Schimmer eines großen Sees. Wenn wir diese imaginäre Linie aus Licht und Schatten überschritten, erreichten wir Kenia.

Zuerst einmal gibt es ein üppiges Frühstück auf der Terrasse des Lodges, eingerahmt vom farbigen Schimmer üppiger Kletterpflanzen. Aus der Küche dringt der Geruch von frisch geröstetem Kaffee, weiter oben das Geräusch von Strohbesen, die über die Steine fegen, das Geplapper der Frauen, manchmal ein kurzer Gesang. Am Abend zuvor über uns ein ungeheurer Sternenhimmel, der große Wagen auf den Kopf gestellt, der Vollmond am nächtlichen Himmel, kurz zuvor blutrot aus dem am Horizont liegenden See emporgestiegen. Wenn er abnimmt, sehen wir eine liegende Sichel, wie die Himmelsbarken auf den Wänden der ägyptischen Tempel, für immer in Stein gemeißelt, auf den steinernen Geschichten der Hatschepsut vom sagenhaften Goldreich Punkt erzählend.

Unterhalb von Konso halten wir vor der Strawberry Fields Eco-Lodge Konsolink-extern, einer Garten-/Parkanlage, vor sieben Jahren von einem Iren gegründet, mit vielen eco-Elementen, wie Regenwassernutzung, Solaranlagen, Komposttoilette, Backöfen, Baumschule, Kompostgewinnung, Terra Preta, Unterkünften und Restaurant. Zur Zeit ist der Gründer allerdings nicht da, da sein vorheriger Verwalter das gespendete Geld missbräuchlich verwendete und nach seiner Kündigung den Leuten der Lodge das Leben schwer macht. So ist der Gründer der Lodge unterwegs, um für das Projekt wieder neue Gelder einzuwerben, die sein Paradies und seine Idee, die Kleinbauern zu unterstützen, weiterbringen. Gerade vor Konso sind sehr große Bananenplantagen entstanden, die die Kleinbauern von ihrem angestammten Land vertreiben und von großen Konzernen betrieben werden.

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Kaffeepflanzen im Eco-Lodge Konso Unterricht im Eco-Lodge Wassermanagement

Fahren von Konso aus den ganzen Weg Richtung Addis zurück. Essen in Arba Minch zu Mittag, Injera mit Hähnchen, wollen noch mindestens bis Shashemene kommen. Machen eine größere Pause auf dem Awasa Hayk, einem großen See, auf den wir mit einem Boot hinausfahren. Nach einer halben Stunde stoßen wir auf Nilpferde mit ihren Jungen, von denen wir allerdings nur die Köpfe sehen. Fahren nicht zu nahe an die Tiere heran, da diese sehr gefährlich werden können. Auf dem Weg zurück tuckern wir durch sehr flaches Wasser mit vielen Wasserpflanzen, in denen unzählige Vögel nisten. Die Fischer auf dem See paddeln in sehr niedrigen Papyrusbooten über den flachen See. In der Nähe des Ufers tummeln sich viele Pelikane und Marabus, Flamingos und Kormorane.

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Nilpferde Marabus Am Ufer des Ziwaysees

In einem anschließenden Park mit sehr altem Baumbestand laufen kleinere Affen über den Boden, betteln auch einmal die Besucher an. Wir fahren weiter an den Ufern des Langanosees mit seinem rötlich braun gefärbten Wasser entlang. Hier tauchen jetzt auch zum ersten Mal Termitenhügel auf, deren grünbewachsene Spitzen an Mützen erinnern und über eine lange Strecke die Ebenen links und rechts der Straße säumen.

Am Ufer des Ziway Hayks (Zway-Seewpicon) machen wir noch einmal eine Pause und laufen runter zu den Ufern des Sees, wo immer wieder Pelikane oder Seevögel auffliegen. Bedächtig staken die Marabus durchs flache Wasser. Vor uns jetzt ein gewaltiger Baumriese, dessen gewaltiger Stamm seine Wurzeln bis in das Wasser des Sees schickt. Klaus steigt ihn empor, schaut von oben durch das weit ausladende Geäst.

Vor den Toren des Parks essen wir leckeren Fisch aus dem See, der auf alten, flach gehämmerten Ölfässern zubereitet wird. Und weiter geht die Fahrt. Gegen Abend überrascht uns ein schweres Gewitter mit Blitz und Hagel, so dass unser Fahrer Alex das Auto anhalten muss. Unzählige Blitze durchfurchen waagerecht den dunklen Himmel. In ihrem schemenhaften Licht tauchen immer wieder alte Vulkankegel auf. Vor und nach dem Gewitter kommen uns, bis es endgültig Nacht wird, unzählige Eselskarren entgegen, voller weißgekleideter Frauen und Männer, oft im Scheinwerferlicht auftauchend und nur am Klingeln kleiner Glöckchen zu erkennen.

Suchen in Hawassawpicon zuerst das Heile-Debraselassi-Hotel auf, einen gewaltigen „europäischen" Hotelkomplex, der wegen des anstehenden Osterfestes jedoch komplett belegt war. Im GEP Gezahegn und Elfenesh Hotel und Resort bekamen wir dann doch noch Zimmer. Hawassa ist eine Stadt mit 200 000 Einwohnern und einer großen Universität. Überall in der Stadt pulsiert das Nachtleben, blinken Lichterketten und Hinweisschilder. Saßen abends um 22.00 Uhr noch als einzige Gäste im Restaurant, essen noch eine Kleinigkeit und trinken Bier. Im Fernsehen das Erdbeben in Mexiko City.

lstethSamstag, 19. April 2014, von Hawassa nach Addis Abeba

Am Morgen drehe ich mit Klaus im hoteleigenen Schwimmbad einige Runden. Im Hintergrund sitzen immer mehr Geier auf den Dächern. Als ob die in uns ein gefundenes Fressen sehen. Eine irgendwie fragwürdige Situation. 150 km von hier haben die Menschen kein sauberes Wasser, schöpfen ihr Trinkwasser aus verschmutzten Flüssen und Wasserlöchern, leiden wegen des schmutzigen Wassers an Augenkrankheiten. Und wir schwimmen in klarem Trinkwasser.

Nach einer Stunde Fahrt kommen wir in Shashemenewpicon an, dem Mekka der Rastafaris. Wir wollen eine ihrer Niederlassungen näher kennenlernen.

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Wir sind in Shashemene Mubarek im Verkaufsgespräch Klaus ist schon fast ein Rastafari

Die Bewegung der Rastafaris wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Jamaika begründet. Einer ihrer bekanntesten Vertreter ist Bob Marley. Ihr Ziel war es, für die Nachfahren der nach Amerika verschleppten Sklaven einen neuen Staat zu gründen. Der Anführer der Rastafaris soll gesagt haben: „Seht nach Afrika, dort wird ein schwarzer König gekrönt werden, durch ihn wird der Tag der Befreiung kommen". Später erklärte der Prediger Leonard Howell: „Haile Selassie sei Gott" und die Schwarzen seien mit den nach Babylon verschleppten Juden gleichzusetzen.

Seine Anhänger hielten sich an bestimmte Speisevorschriften, z. B. dem Verbot von Schweinefleisch, Schalentieren, Alkohol und Salz, während des Niyabingi eines Gottesdienstes, war das Rauchen von „wisdom weed", d. h. Marihuana (Ganja) Teil der Kommunikation zwischen den Gläubigen.

Die Rastafaris wurden immer wieder von der Polizei bedrängt und zogen sich in die Berge zurück, bauten Ganja an und ließen sich als äußeres Symbol Dreadlocks wachsen. Heute sind die Rastafaris in Äthiopien eine oft verarmte Minderheit. Allerdings kommen Rastafaris aus aller Welt immer noch nach Äthiopien gepilgert. Übrigens hat die Reggae-Musik die Farbe Grün-Gelb-Rot aus dem äthiopischen Kaisertum entlehnt.

Nur durch wiederholtes Nachfragen fanden wir dann das Zion Train Lodge, das typisch äthiopische Rundhäuser an Touristen vermietete. Mubarek will für das Zentrum eine Solaranlage konzipieren. Wir unterhielten uns mit den Französisch sprechenden Familien, die dort schon lange lebten und besichtigten die verschiedenen Gebäude. Immer wieder wurden wir nach Ganja gefragt, dessen Besitz in Äthiopien allerdings verboten ist. Bevor die Fahrt nun weiterging, kauften wir noch typische Rastafarimützen, die wir in Berlin versteigern wollen. Klaus konnte sich eine ganze Zeit lang nicht mehr von seiner Mütze trennen.


lstethOstersonntag, 20. April 2014, Flug und Ankunft in Lalibela

Noch vor Tagesanbruch werden wir durch den Gesang der nächstgelegenen Kirchen geweckt. Überall tönt es aus den Lautsprechern: „Der Herr ist auferstanden". Alex fährt uns kurz nach vier Uhr zum Flughafen in Addis, der nicht weit von unserer Unterkunft liegt. Mehrere Maschinen fliegen nach Lalibelawpicon. Viele Menschen, die im Flughafengebäude warten, sie sind festlich gekleidet, bei den Frauen überwiegt die Farbe weiß.

Heben pünktlich in einer kleinen Propellermaschine ab. Im Steigflug geht es hinweg über die immer mehr wachsende Stadt, die ihre Vororte und Satellitensiedlungen wie Krakenarme hinein in die bergige und bewaldete Landschaft ausstreckt. Immer weiter geht es Richtung Norden. Unter uns gewaltig zerklüftete Bergflanken, bis auf kleine kümmerliche Reste ohne Wald. Nur in den Tälern mäandert ein schmales grünes Band, gibt es doch einmal eine Fläche auf einem Tafelberg, ist dieser dicht mit Feldern bedeckt. Bis zum Horizont erstrecken sich die Berge, immer wieder von tiefen Tälern, quer zur Flugrichtung unterbrochen.

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Einstieg ins Flugzeug Fahrt nach Lalibela Karges Land, grün nur da, wo es Wasser gibt

Bin schon ganz aufgeregt und freue mich auf die fast 1000 Jahre alten Felskirchenwpicon von Lalibela. Langsam verlieren wir wieder an Höhe, unter uns das rostbraune Land, erkennen die ersten Rundhäuser und Ochsen vor dem Pflug: Moderne Technik trifft auf Weltkulturerbe.

Nachdem wir den Platz vor dem Flughafengebäude betreten, steht dort schon unser Fahrer von Kompass-Tours. Zuerst gibt es kaum Grün am Straßenrand, nur hin und wieder Ziegen oder junge Männer, langsamen Schrittes, häufig schwere Säcke geschultert. Hin und wieder ein Frau mit einem Brennholzbündel auf dem Rücken. In Serpentinen führt die Straße immer tiefer in die Berge hinein. Viele kleine Steinmauern aus dunklem Gestein terrassieren die Landschaft, halten die braune Erde zurück. Nach einer halben Stunde erreichen wir das Lal-Hotel.

Zuvor war mir am Horizont, wie ein gewaltiger Turm, ein noch nicht verwitterter Vulkanschlot aufgefallen. Noch wusste ich nicht, dass genau dort oben geheimnisvolle Gänge, viele Nischen der manchmal eingemauerten Einsiedler und ein uraltes Kloster auf uns warteten. Mache mich mit Klaus gleich in unserm Zimmer breit.

Nach dem Mittagessen geht es dann zu einer geführten Tour zu den Felskirchen. Gleich neben dem Ticketbüro, die Eintrittspreise sind ziemlich happig, geht es einen schmalen Gang hinunter zur ersten Kirche der Nordgruppe. Sie wird durch ein gewaltiges futuristisches Dach, das mit EU-Mitteln finanziert wurde, vor den Niederschlägen und der Sonne geschützt.

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Schutzdach über einer Felsenkirche Fenster im axumitischen Stil Im Inneren einer Felsenkirche

Die Baustile der Felskirche stammen aus der axumitischen Zeit, übernehmen die noch aus Byzanz stammenden Kirchengrundrisse und sind die architektonischen Höhepunkte einer Jahrhunderte alten äthiopischen Bautradition, die bis ins achte Jahrhundert zurückgeht. Unglaublich, was menschlicher Glauben zu schaffen vermag, er bewegt ganze Berge.

So führt uns ein kundiger Mann immer tiefer in die Schluchten und künstlichen Felsspalten hinab bis ins Allerheiligste der großen Felskirchen, das immer hinter einem schweren Vorhang verborgen liegt und von einem Priester bewacht wird. Er bewahrt auch die vielen uralten eisernen und goldenen Kreuze auf, die er gegen ein kleines Trinkgeld vorzeigt. Wie Lichtfinger stechen die Strahlen der Sonne tief ins geheimnisvolle Dunkel der uralten Räume. Geheimnisvoll die vielen Malteser-Kreuze, die auch die Tempelritter als ihr Symbol übernahmen, und der Davidsstern, ein Zeichen für König Salomon und das Heilige Jerusalem, das ja im 12. Jahrhundert den Christen nicht zugänglich war.

Abends liefen wir links vom Hotel die Straße hinunter bis zu einem Restaurant, von dessen Terrasse aus wir einen Blick weit über die hohen Berge hatten. Waren immer wieder überrascht, wie viele Holländer, Franzosen, Belgier, Engländer und auch Amerikaner wir hier trafen, von denen einige regelmäßig wiederkommen, da sie unter den jungen Männern von Lalibela Patenkinder haben. Haben sehr gut gegessen und auch den guten Wein aus Ziway probiert, dabei viel über die Geschichte und Politik in Äthiopien diskutiert. Unser Begleiter erzählte lachend, dass viele junge Engländer ihr Essen nach Äthiopien mitbringen, weil sie Angst haben sonst zu verhungern.

lstethOstermontag, 21. April 2014, Die Felskirchen von Lalibela und die Klosterkirche Asheten Maryam

Sitze im Restaurant des Lal-Hotels und trinke meinen ersten Kaffee. Neben mir eine Gruppe Franzosen, die in Äthiopien nur Lalibela und einen Nationalpark besichtigen und danach gleich weiterfliegen, also Äthiopien nicht richtig kennengelernt haben. Sie beschweren sich lauthals über die braune Farbe des Teewassers. Wollen nach dem Frühstück zur zweiten, weiter östlich gelegenen Gruppe der Felskirchen aufbrechen.

Zuerst geht es einen schmalen Graben hinunter, bis wir auf einer steinüberwölbten Galerie stehen, durch deren Durchbrüche wir auf eine gegenüberliegende Fassade und einen davor befindlichen Absatz blicken. Über eine uralte Holzbrücke gelangen wir hinüber, zwanzig Meter unter uns befinden sich zwei mit Stufen versehene ebenfalls aus den Felsen gestemmte große Taufbecken. Die etwa 30 Meter breite Fassade hat sieben Nischen, mit orientalischen Bögen verziert. Angeblich soll das dahinter befindliche Felsmassiv hohl sein und sich in der darin verborgenen Kirche, die bis heute nicht gefunden wurde, viele Schätze befinden, einstmals in kriegerischen Zeiten dort versteckt. Der zentrale Raum hat zwei Pfeiler, einer dem Erzengel Gabriel geweiht, der andere Raphael.

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Überall führen Wege in die Tiefe Kirchentür Überall Durchgänge

Über einen dunklen Gang, durch den wir uns blind hindurchtasten und der „die Hölle" heißt, gelangen wir zur Bete Marqorewos (Mercurioskirche), die dem Heiligen Mercurios geweiht ist, der den vom Christentum abgefallenen römischen Kaiser Julian Apostata mit einer Lanze durchbohrt, was auf einem Gemälde auch sehr realistisch dargestellt ist. Ein anderes Bild aus dem 15. Jahrhundert zeigt den Leidensweg Christi. Wir erfahren, dass in den Klöstern und Kirchen Lalibelas noch über 2000, teils sehr alte Bücher existieren.

Nachdem wir einen sehr langen und hohen Gang durchquert hatten, stehen wir vor der semimonolithischen Kirche Bete Abba Libanos, d. h. sie ist nicht ganz aus dem Felsen gelöst. Sie weist Pilaster und schöne axumitische Fenster auf, in einem davon sitzt ein weißer Falke. Wir gehen durch einen breiten Gang um die Kirche herum. In den Felswänden befinden sich viele Nischen, kleine Höhlen und Schächte, in denen die Mönche nachts schlafen. Aus der Kirche dringen Trommelschläge, die eine sakrale Handlung begleiten.

Neben der Tür des Kirchengebäudes steht ein krummes Stück Holz, dessen obere Seite von der häufigen Benützung richtig glänzt. Es dient sicherlich seinem Besitzer als Stütze im Gottesdienst, der für die Priester vor den großen kirchlichen Festen bis zu drei Tagen dauern kann. In der Kirche sind die Deckenbalken alle aus Stein, imitieren jedoch Holz. Die Kirche soll der Legende nach mit Hilfe von Engeln in einem Tag errichtet worden sein. Im Inneren fällt vor allem ein Gemälde des Heiligen Libanos auf, dem zu Füßen ganz niedlich dreinblickende Löwen und Panther sitzen, sein weißer Bart reicht bis auf den Boden. Aber nicht nur der Bart ist ein Zeichen für die immer noch 12000 Männer umfassende Schar der Eremiten, sondern auch die langen zusammengedrehten Haare, die Rastas.

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Kirchentrommeln Telefonierender Mönch Vorratsbehälter
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Mubarek vor der Kirche St. Georg

Die ganze Kirche aus einem großen
Steinblock gearbeitet
Der Heilige Georg

An einem kleinen Friedhof verlassen wir das kleine Bergmassiv. Vor dem Friedhof zieht ein langer Trauerzug ins Tal. Wir gehen an mehreren Verkaufsständen und steinernen Rundhäusern vorbei. Ich kaufe bei einem Mädchen einen alten, mit Deckel zu verschließenden Transportbehälter aus Ziegenleder, für Amelie kupferne Ohrringe. Verschiedentlich werden uns auch alte Theresientaler angeboten, ein früher beliebtes Zahlungsmittel in Äthiopien. Schade, dass wir nicht die großen, tönernen Kochtöpfe und Vorratsbehälter kaufen können.

Das leckere Mittagessen nehmen wir im Garten des Lal ein. Nach dem Mittagessen fahren wir mit unserem Guide weit hinauf bis kurz unter den Gipfel des schon bei der Anfahrt weithin zu sehenden ehemaligen Vulkanschlots. Zu Fuß geht es dann unter einem weit überstehenden Felsen den Berg hinauf. Beim Einatmen merke ich sofort, dass wir auf beinahe 3000 Meter Höhe sind. Noch unterhalb des Berggipfels sind viele Nischen in den Fels gehauen, jeweils mit einer Tür verschlossen oder bis auf ein kleines Loch zugemauert: die Wohnstätten der Eremiten.

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Einsiedelei Felsgang zum Kloster Jahrhunderte alter Psalter

Nach einer weiteren Kehre stehen wir plötzlich vor einer hoch aufragenden Felswand, in der ein mannsgroßes Loch gähnt. Wie in einer Szene aus „Der Herr der Ringe" windet sich eine steil ansteigende Steintreppe durch den gewachsenen Felsen und verschwindet im Dunkel. Schwer atmend steige ich Stufe um Stufe empor und gelange am Ende ins Licht. Vor uns erhebt sich die mit Stangen eingerüstete alte Kirche, die wir durch ein niedriges Tor betreten. Der Leiter unserer Führung erzählt, dass schon sein Großvater und Urgroßvater Abt des Klosters gewesen sei. So zeigte uns ein Mönch bis zu 800 Jahre alte Bücher, die aus zusammengebundenen Holztafeln bestehen, auf die wunderschöne Bilder gemalt sind oder altertümliche Psalter. Auch zeigt uns der Priester Eisenkreuze aus dem 13. Jahrhundert, die er in einer sehr alten Truhe aufbewahrt.

Vom Kloster aus steigen wir auf einen Felsrücken, aus dem kreuz und quer kleine Gräben gehauen waren, die Wasser zu tieferen Becken leiten. Von hier oben aus haben wir einen fantastischen Blick in alle Richtungen. Auf der westlichen Seite blicken wir auf ein schmales grünes Tal, durch das sich glitzernd ein Fluss schlängelt. Unser Guide erzählte, dass es jetzt schon einen kalten Krieg zwischen Äthiopien und Ägypten um das lebensspendende Wasser des Nils gebe.

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Blick ins Tal Klaus und Jana on the top Felder mit Eukalyptushain

Wieder unten an unserem Auto angekommen, laufen wir durch einen kleinen Eukalyptuswald, zwischen gepflügten Feldern hindurch zu einer kleinen Schule, deren Gelände von einer Natursteinmauer umfriedet ist. Mehrere Kinder begleiteten uns dabei, von denen viele husteten, Hautausschläge und verklebte Augen haben.

Der Aufseher der Schule, am Sonntag war die Schule ja geschlossen, führt uns auf das Gelände. Er erzählt uns, dass dies eine Schule für 160 Kinder und vier Lehrer ist. Das Klassenzimmer war eine kleine Wellblechhütte und überall auf dem Gelände klapperten im Wind Bleche. Da die Bevölkerung Harar waren, die Bevölkerungsgruppe, aus der Haile Selassie kam, wurde sie von der Regierung benachteiligt und erhielt sehr wenig Unterstützung. Wir beschlossen, für das Schulkomitee 1000 Birr, etwa 40 €, zu spenden.

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Dungfladen als Brennstoff Schulgebäude Auf dem Rückweg zum Auto

Auf der Schotterpiste hinab ins Tal bleiben wir in einer Wegrinne stecken und versuchen, erst mit Hilfe eines Wagenhebers, später durch gemeinsames Anheben des Fahrzeugs, dieses wieder flott zu bekommen.

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Mit vereinten Kräften

Olivenbäume: in Äthiopien schon seit
Jahrtausenden heimisch
Ein letzter Blick zurück auf den Klosterberg

Heute Abend werden wir hier im Hotel essen. Wir waren überrascht, wie viele Reiseunternehmen aus aller Herren Länder das Hochland von Abessinien ansteuern. Wobei die Touristen nur im Hotel sind und sicherlich nicht viel von Land und Leuten mitbekommen. Andererseits konnten wir auch Europäer sehen, die sich seit langer Zeit um durch Zufall kennengelernte junge Menschen kümmern, d. h. ein Studium finanzieren und sie auch regelmäßig besuchen. Dies zeigt sich auch darin, dass wir immer wieder von Schülern angesprochen werden, die versuchen, Freundschaften zu stiften oder e-Mail-Adressen zu tauschen.

Äthiopien ist ein faszinierendes Land mit sehr freundlichen, angenehmen und gebildeten Menschen. Wir wurden oft auch von Kindern auf Englisch angesprochen. Denke, dass Äthiopien eine gute Zukunft haben kann, wenn es gelingt, demokratische Strukturen zu schaffen, ohne dass eine Abhängigkeit von internationalen Konzernen entsteht.

Am Abend haben wir noch zusammen im Lal-Hotel gegessen und dabei ein paar St.-Georgs-Biere getrunken. Danach kam die Abrechnung: 160 € für die ganze Zeit und die Eintritte.


lstethDienstag, 22. April 2014, Rückflug nach Addis Abeba

Wachten schon kurz nach 4.00 Uhr auf, da der Gesang der christlichen Priester, lautsprecherverstärkt, den ganzen Ort erfüllt. Zum Frühstück bekommen wir noch einmal die äthiopische Kaffeezeremonie geboten, mit Weihrauch und frisch zubereitetem Kaffee, den wir aus kleinen Tassen trinken. Er wird mir fehlen.

Jetzt, um 9.00 Uhr, sitzen wir schon in der Halle des Fluglatzes von Lalibela. Hatten den Jungs, die immer vor unserem Hotel rumhängen, noch 100 Birr fürs Schuheputzen gegeben.

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Zum letzten Mal die Kaffeezeremonie im
Lalhotel
Kein Flugzeug in Sicht

Landeanflug auf Addis

Als wir gestern Abend die Abrechnung fertig hatten, kam Mubarek noch zu einem kurzen Fazit: „Wir haben in Weira eine gute Arbeit geleistet, auf und im Modellhaus die Solaranlage montiert, die Solaranlage des Bürgermeisters repariert, eine Dachrinne mit Auffangmöglichkeit am Modellhaus angebracht, mit unserem Wasserlabor das Wasser geprüft, Erdproben genommen und mit den Leuten von Weira viele Gespräche geführt. Mubarek will zuerst einmal nicht mehr machen.

Achmed von Give Water wird sich zusammen mit Fikadu, dem Bürgermeister und dem Gemeinderat von Weira um die Wasserförderung und die Verteilung von sauberem Wasser kümmern. Und wir werden mit allen über Mubarek in Kontakt bleiben. Hailu will für immer nach Addis zurückkehren um dort ein Elektrogeschäft aufzumachen.

Und wir haben sehr viel über Äthiopien, ein Land im Aufbruch, kennengelernt. Auf der einen Seite haben viele Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser, Elektrizität und Gesundheitsversorgung. Auch die Schulen sind mit sehr wenig Mitteln ausgestattet. Allerdings scheint der Leistungsstandard der Schüler sehr hoch zu sein, gibt es doch bei den jungen Menschen eine hohe Motivation weiterzukommen und dazu zu lernen.

Gerade bei den Gurage ist das agrarische Selbstversorgungssystem noch weitestgehend intakt, gibt es auch ein großes Wissen über Naturmedizin, die natürlichen Zusammenhänge, wie Mischkulturen etc. in der Landwirtschaft. Teilweise wirkt auf uns Europäer das Leben der Gurage durch die Brille unserer Zivilisation paradiesisch, wobei wir sicherlich auch die Zwänge der dortigen normativen Kräfte unterschätzen.

Allerdings haben wir Krankheiten und die mangelnde medizinische und schulische Versorgung nur angesprochen und sporadisch besichtigt, ohne sofortige praktikable Lösungen benennen zu können. Ich denke, Äthiopien hat eine große Zukunft vor sich, wenn es den verantwortlichen Menschen des Landes gelingt, demokratische Strukturen dauerhaft zu etablieren und ein Amalgam aus Tradition, afrikanischer Identität und Moderne zustande zu bekommen. Mit der Gastfreundschaft und dem tradierten Wissen der Gurage und den durch Besucher entstandenen Kulturtransfer scheint mir eine Utopie „Äthiopien im 21. Jahrhundert" in groben Umrissen vorstellbar.

Zwei Stunden später sitzen wir immer noch im Flughafengebäude. Die Maschine, mit der wir zurückfliegen sollten, ist zwar verspätet gelandet, kann aber wegen des starken Winds nicht starten. Alle 30 Minuten soll eine Durchsage in Bezug auf die Windverhältnisse erfolgen. Erst mal abwarten. Wieder mal eine Übung in afrikanischer Geduld. Dann bekommt die ganze Geschichte auf einmal Dynamik. Da auf Grund des starken Windes das Gewicht des Flugzeugs reduziert werden muss, wurden die letzten 10 Namen auf der Passagierliste einfach gestrichen, darunter Mubarek und Conny. Jana erklärt sich bereit, an Stelle von Conny in Lalibela zu bleiben. So haben wir nur mit vier Mitgliedern die Rückreise angetreten. Am Flughafen von Addis wird uns Alex erwarten.

lstethMittwoch, 23. April 2014, Rückflug über Istanbul nach Berlin

Waren um 1.15 Uhr in Addis abgeflogen. Mubarek und Jana waren am Nachmittag doch noch mit einem Flug über den Tanansee in Addis angekommen. Trafen uns danach alle bei Hailus Verlobter, die für uns ein sehr gutes Essen zubereitet hatte. Es gab Injera mit Hühnchen (schön scharf) und verschiedene Gemüse. Später kam nochmals Achmed von der NGO „Give Water" dazu.

Von Hailu aus fahren wir noch zu einem Laden in der Nähe des Mercatos, wo wir uns noch mit zwei Hemden für die Landesstellenfeier und weiteren Keramik- und Holzgegenständen für die äthiopische Kaffeezubereitung eindecken. Im Flughafen kaufen wir noch guten einheimischen Kaffee.

Können im Flugzeug nur kurz schlafen, da uns um 4.30 Uhr ein Essen serviert wird. Haben auf dem Flughafen von Istanbul nur kurzen Aufenthalt. Treffen noch den Chef des deutsch-äthiopischen Freundschaftsvereins, der auch von einem Projekt im Süden Äthiopiens zurückkommt. So langsam geht unsere Reise zu Ende. Freuen uns schon alle auf das Zuhause, Badewanne, warme Dusche oder Sauna, Radfahren oder dem Schwimmen im See. Auch das wir unsere Lieben wieder in die Arme schließen dürfen.

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Aufenthalt in Istanbul Rückflug nach Berlin Wieder zu Hause

Eine tolle Reise geht zu Ende und wir sind voller Eindrücke, sehen noch vor uns das Lächeln der Äthiopier, erinnern uns an ihre Gastfreundschaft, an den ungezwungenen oft neugierigen Umgang mit uns.

Amasegenallu, wir werden Äthiopien so schnell nicht vergessen.

Martin Rammensee

 

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Text: Martin Rammensee

Fotos: Martin Rammensee, Cornelia Schröder, Jana Groß, Hailu Temesgen
Landesstelle Berlin 2014, Alle Rechte vorbehalten

Siehe auch:

„13 Monate Sonnenschein” – ein Videobericht des Äthiopien-Aufenthalts.

Von Michael Schäfer

videotitel weira

 Video ansehen auf Vimeo

 

Siehe auch:

Äthiopien-Nachmittag der Landesstelle

 


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